Märchen aus 1001 Nacht
mir, was ist zwischen dir und dem König geschehen? Was für ein Verbrechen hast du an ihm begangen, so dass er wider dich ergrimmt ist und mir befohlen hat, dich diesen scheuÃlichen Tod sterben zu lassen?â Abu Sir gab ihm zur Antwort: âBei Allah, ich habe nichts getan und ich bin mir keiner Sünde bewusst, die ich an ihm begangen hätte und die solches verdiente!â Da fuhr der Kapitän fort: âSieh, du standest in so hohem Ansehen bei dem König, wie noch niemand vor dir es erreicht hat; und jeder, dem es wohl ergeht, wird beneidet. Vielleicht ist jemand auf dich neidisch geworden wegen dieses Glückes und hat beim König einige Worte wider dich fallen lassen, sodass der König von diesem Zorn wider dich ergriffen wurde. Doch du bist bei mir willkommen und dir soll nichts Böses widerfahren! Wie du mich ehrenvoll behandelt hast, ohne dass zwischen mir und dir Bekanntschaft bestand, so will ich dich jetzt erretten. Wenn ich dich aber freigelassen habe, so musst du bei mir auf dieser Insel bleiben, bis von dieser Stadt eine Galeone nach deinem Lande fährt; dann will ich dich mit ihr dorthin senden.â Abu Sir küsste dem Kapitän die Hand und dankte ihm für seine Güte; dann holte jener den ungelöschten Kalk und tat ihn in einen Sack; ferner legte er einen groÃen Stein hinein, der so groà war wie ein Mann und sprach: âIch setze mein Vertrauen auf Allah!â Darauf gab er dem Abu Sir ein Netz mit den Worten: âWirf dies Netz in die See, damit du vielleicht einige Fische fängst. Ich muss nämlich jeden Tag die Fische für des Königs Küche besorgen; und jetzt bin ich durch dies Unglück, das dich betroffen hat, vom Fischfang abgehalten worden und ich fürchte, die Küchenjungen werden kommen und Fische verlangen und keine finden. Wenn du also etwas fängst, so werden sie es vorfinden; inzwischen kann ich hingehen und meine List unter dem Palast ausführen, indem ich tue, als ob ich dich ins Meer würfe.â Abu Sir erwiderte ihm: âIch werde fischen, geh du nur und Allah stehe dir bei!â Da legte der Kapitän den Sack ins Boot und fuhr dahin, bis er unter dem Schlosse ankam; als er den König am Fenster sitzen sah, sprach er: âO gröÃter König unserer Zeit, soll ich ihn hineinwerfen?â Der König rief: âWirf ihn hinein!â und wie er ihm zugleich mit der Hand winkte, blitzte plötzlich etwas auf und fiel ins Meer. Was aber dort ins Wasser fiel, das war der Siegelring des Königs; und der trug einen Zauber in sich von dieser Art: Wenn der König wider jemanden ergrimmte und seinen Tod wünschte, so zeigte er auf ihn mit seiner rechten Hand, die diesen Ring trug; und alsbald fuhr ein Blitz aus dem Ringe hervor und traf den Menschen, auf den er gezeigt hatte und dem fiel das Haupt von den Schultern herab. Und nur um dieses Ringes willen gehorchten ihm die Truppen, nur durch ihn hatte er die Gewaltigen bezwungen. Als ihm nun der Ring vom Finger fiel, hielt er die Sache geheim; denn er wagte nicht zu sagen: âMein Ring ist ins Meer gefallenâ, da er befürchtete, die Truppen möchten sich wider ihn erheben und ihn töten; so schwieg er denn.
Wenden wir uns von dem König nun zu Abu Sir! Der hatte, nachdem der Kapitän fortgefahren war, das Netz genommen und es ins Meer geworfen; dann zog er es herauf und es war voll von Fischen. Auch als er es zum zweiten Male auswarf, kam es voll von Fischen wieder herauf; so tat er mehrere Male, indem er auswarf, während das Netz voll wieder hochkam, bis ein groÃer Berg von Fischen vor ihm lag. Da sprach er bei sich selber: âBei Allah, ich habe seit langer Zeit keine Fische mehr gegessen!â Darauf suchte er sich einen groÃen, fetten Fisch aus, indem er sagte: âWenn der Kapitän wiederkommt, will ich ihn bitten, dass er mir diesen Fisch brate, damit ich ihn zu Mittag essen kann.â Dann tötete er ihn mit einem Messer, das er bei sich hatte, aber das Messer blieb in den Kiemen des Fisches hängen; und dort erblickte er des Königs Siegelring! Den hatte der Fisch verschlungen und dieser war vom Schicksal an jene Insel getrieben und dort ins Netz geraten. Abu Sir nahm den Ring und steckte ihn an seinen kleinen Finger, ohne zu ahnen, welche besonderen Kräfte er hatte. Nun kamen zwei Knaben von den Dienern des Kochs herbei, um Fische zu holen; und als sie vor Abu Sir standen, sprachen sie:
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