Märchen aus 1001 Nacht
Messing war, schrie ihre Herrin: âGeh hin unter, dirne und schau nach deinem Herrn.â Da ging die Sklavin hinunter; als sie aber weder den Knaben noch die Alte fand, schrie sie laut und fiel auf ihr Gesicht zu Boden. Und so wurde ihre Freude in Kummer verwandelt. Mit einem Male kam der Obmann der Kaufleute an und seine Frau erzählte ihm das Vorgefallene, worauf er hinunter stieg, nach dem Knaben zu suchen, während die anderen Kaufleute sich ebenfalls auf die Suche begaben, bis der Obmann der Kaufleute seinen Knaben nach langem Suchen entkleidet im Laden des Juden sitzen sah. Da sagte er zu ihm: âDas ist mein Sohn.â Der Jude antwortete: âJawohl.â Hierauf nahm er seinen Knaben, ohne in dem Ãbermaà seiner Freude nach seinen Sachen zu fragen, während sich der Jude angesichts dessen an den Kaufmann hing und rief: âAllah komme dem Kalifen wider dich zu Hilfe!â Da sagte der Kaufmann zu ihm: âWas fehlt dir, Jude?â Der Jude versetzte: âDie Alte holte von mir für deine Tochter einen Schmuck im Werte von tausend Dinaren und lieà diesen Knaben als Pfand bei mir. Hätte sie den Knaben nicht als Pfand bei mir gelassen, hätte ich ihr nicht die Schmucksachen gegeben und hätte ihr nicht getraut; doch ich wusste, dass es dein Sohn war.â Der Kaufmann erwiderte: âMeine Tochter hat keinen Schmuck nötig; schaff mir die Kleider meines Sohnes her.â Da schrie der Jude und rief: âZu Hilfe, ihr Moslems!â Und mit einem Male erschienen der Eseltreiber, der Färber und der junge Kaufmann auf ihrer Suche nach der Alten und fragten den Juden und den Kaufmann nach der Ursache ihres Gezänks. Als sie ihnen das Vorgefallene erzählten, sagten sie: âDas ist eine alte Gaunerin, die vor euch auch uns beschwindelt hatâ und erzählten ihnen, wie es ihnen mit ihr ergangen war, worauf der Obmann der Kaufleute sagte: âNun ich meinen Sohn gefunden habe, mögen seine Sachen sein Lösegeld sein; wenn ich aber die Alte finde, will ich sie schon von ihr einfordern.â Hierauf brachte der Obmann der Kaufleute den Knaben zu seiner Mutter, die erfreut war, ihn wohlbehalten wieder zu sehen. Der Jude aber fragte die drei: âWohin geht ihr?â Sie antworteten: âWir suchen nach ihr.â Da sagte er: âNehmt mich mit euchâ und fragte sie: âIst einer unter euch, der sie kennt?â Der Eseltreiber versetzte: âIch kenne sie.â Hierauf meinte der Jude: âWenn wir alle zusammen gehen, finden wir sie nicht und sie entkommt uns; lasst daher einen jeden von uns einen anderen Weg nehmen und uns bei dem Laden des Pilgersmanns Masud, des Barbiers, wieder treffen.â
So schlug denn jeder von ihnen einen anderen Weg ein, als mit einem Male der Eseltreiber auf die Alte stieÃ, die gerade wieder ausgegangen war, um eine neue Gaunerei auszuführen. Da er sie erkannte, packte er sie und rief: âWehe dir, treibst du dieses Geschäft schon lange?â Sie erwiderte: âWas gibtâs?â Der Eseltreiber entgegnete: âMeinen Esel, gib ihn her!â Da sagte sie: âVerhülle, was Allah verhüllt hat, mein Sohn! Suchst du deinen Esel und die Sachen der Leute?â Er versetzte: âIch suche nur meinen Esel und weiter nichts.â Sie erwiderte: âIch sah, dass du arm bist und lieà den Esel unter der Obhut des Barbiers. Bleib abseits stehen, dass ich zu ihm gehe und ihm freundlich zurede, ihn dir auszuhändigen.â Hierauf trat sie an den Barbier heran und küsste ihm weinend die Hand, sodass er sie fragte: âWas fehlt dir?â Sie erwiderte: âMein Sohn, schau meinen Sohn, der dort steht. Er war krank und setzte sich der Luft aus, die seinen Verstand verstörte. Infolgedessen ruft er, da er zuvor Esel kaufte, jetzt, wo er geht und steht und sitzt: âMein Esel!â Und ein Arzt sagte mir, nichts könne seinen getrübten Verstand wieder heilen als das Ausziehen von zwei Backenzähnen und Brennen auf beiden Schläfen. Nimm daher diesen Dinar, ruf ihn und sprich zu ihm: dein Esel ist bei mir.â Der Barbier erwiderte: âEin Jahr lang will ich fasten, wenn ich ihm nicht seinen Esel in seine Hand gebe.â Nun hatte er zwei Gesellen bei sich und so sprach er zu dem einen: âGeh und mach die Eisen warm.â Dann rief er den Eseltreiber, während die Alte ihres Weges ging. Als der Eseltreiber näher kam, sagte er zu ihm:
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