Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
herunter ihnen auf den Kopf, bald zeigte sich am Dachrand ein Schein, und rief man ihn an, so brachen die hellen Flammen hervor. Die Hausfrau war erbost darüber und fing zu schimpfen an, da schlugen ihr die Flammen unter’m Rock hervor. Beständig kam es vor, dass die Leute im Hause krank wurden vor Schreck.
Als der Spuk begann, da wurden alle Familienglieder davon betroffen, nur an den Hausherrn selbst wagte er sich nicht heran. Doch konnte dieser auch nichts dagegen tun.
Nun war ein Zauberer im Nachbardorf; von dem hieß es, er könne die Füchse austreiben. Er wurde gebeten. Aber ehe er kam, musste man ihm zehn Lot Silber darwägen.
Dann begann er seinen Zauber im Saal. Er malte Runen und sagte Zaubersprüche her. Schließlich hörte man den Fuchs bellen.
Er packte mit der Hand nach ihm, dann sprach er überrascht: »Er ist mir entwischt. Ich habe ihm nur ein Büschel Haare herausgerissen.«Und richtig hatte er ein Büschel Haare in der Hand.
Kaum hatte der Zauberer jedoch das Haus verlassen, da fing der Spuk aufs Neue an. Vermutlich hatte er selbst das Bellen des Fuchses hervorgebracht und die Haare vorher im Ärmel versteckt.
Der Hausherr hatte sich’s aber in den Kopf gesetzt, unter allen Umständen des Fuchses habhaft zu werden. So bewaffnete er denn seine Söhne und Knechte mit Flinten. Zeigte sich irgendwo ein Spuk, so schossen sie darnach. Solange man schoß, hörte es auf; aber kaum hatte man aufgehört zu schießen, so fing es wieder an. Kurz, man konnte der Sache nicht beikommen.
Ein Pächter der Familie hatte eine Frau, die war Hexe; die sagte eines Tages: »Der Fuchsgott freut sich, wenn die Menschen ihn verehren. Ihr müsst ihn nicht bekämpfen. Ihr müsst ihm eine Mahlzeit als Opfer darbringen; dann will ich den Fuchsgott bitten, dass er mit euch Frieden schließt und alles Leid in Freude sich verwandelt.«
Der Hausherr war für nichts zu haben. Aber die Hausfrau verabredete sich im Geheimen mit der Hexe. Ein Nebenzimmer wurde hergerichtet, darin wurden feiner Wein und köstliche Speisen aufgestellt, und die Hexe verbrachte allein die Nacht in diesem Raum. Als der Tag zu dämmern begann, da ging man hin und sah nach ihr. Speisen und Wein waren fort, und die Hexe war sinnlos betrunken.
Lallend erzählte sie: »Es sind eine ganze Anzahl großer Götter gekommen, die saßen da, genossen Wein und Speisen und freuten sich gar sehr. Sie ließen mich auch mit essen. Ich erzählte ihnen von der guten Absicht des Hausherrn und riet ihnen, Frieden zu schließen. Die Götter haben’s auch versprochen.«
Aber noch ehe sie ausgeredet hatte, flog von draußen ein Stein herein; der fiel gerade auf den Tisch und zertrümmerte alle Teller und Tassen. Da hielt die Hexe die Hand vors Gesicht und wischte hinaus. Bei Nacht hatte sie ein Knecht belauscht. Es war aber nichts zu sehen gewesen, dass sie gebetet hätte, sondern die Hexe hatte heimlich ihren Sohn bestellt; mit dem hatte sie sich zusammen voll getrunken und gegessen, und was übriggeblieben, hatte der Sohn in einem Korbe weggetragen.
Eine junge Magd wurde schließlich auch besessen; sie musste Nahrungsmittel und Schmuckgegenstände stehlen. Dafür wurde sie von der Hausfrau geschlagen. Nun kam es über sie, dass sie sich in der Mühle aufhängte. Mehrere Male rettete man sie. Schließlich erhängte sie sich doch. Der Vater der Magd fing einen Prozeß an. Darüber ging das ganze Besitztum der Familie verloren, und der Hausherr kam an den Bettelstab.
Er musste das Haus verkaufen, und man bezog eine einfache Strohhütte.
Eines Abends saß der Hausherr bei einem Becher Wein allein im Hofe. Da sah er auf der Mauer etwas Schwarzes hocken, das war so groß wie ein Hund, und seine Augen funkelten wie Blitze. Der Hausherr tat, als bemerkte er es nicht, und griff heimlich nach seiner Hetzpeitsche. Dann schlug er mit aller Macht darnach und traf es gerade auf die Stirn. Es machte einen Purzelbaum und fiel jenseits der Mauer auf den Boden. Als man darnach suchte, war es schon verschwunden. Von da ab hatte der Spuk ein Ende; aber die Familie war darüber verarmt.
60. Der große Vater Hu
Der große Vater Hu ist ein Fuchsgeist. Wenn die Füchse mit der Bereitung des Lebenselixiers beinahe fertig sind, so können sie Wunder tun. Sie werden dann in die kaiserlichen Opferlisten eingetragen. Als die Mandschus nach China kamen, da machten sie Mukden zu ihrem Ahnensitz und errichteten daselbst einen großen Tempel, der einem hohen Würdenträger zum Schutze
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