Maerchen aus Malula
zerschlugen ihren Belagerungsring. Aber ein Jahr später kam wieder eine Bande, die das Dorf umzingelte. Die Bauern von Malula schlugen sie nach einem dreiwöchigen Kampf zurück. Der Anführer der Bande war ein merkwürdiger Mann. Er zog mit seinen Männern mordend und plündernd nach Jabrud ab. Es war ein kleines Städtchen. Seine Bewohner sind sehr friedliche Handwerker. Und seine Bauern haben sich in ganz Syrien durch den Anbau von Kartoffeln einen Namen gemacht. So gute Kartoffeln wie die von Jabrud gibt es in ganz Syrien nicht, und diese Knolle brachte ihnen Ruhm und Reichtum. Nun, die Stadt Jabrud konnte sich nicht einmal fünf Stunden verteidigen, die Mörder ritten in die Stadt und raubten sie aus. Stell dir vor, worauf sie ganz wild waren? Man glaubt es nicht. Auf Musikinstrumente! Als sie die Stadt verließen, waren alle Trommeln, Zithern, Lauten und Flöten verschwunden. Nicht einmal ein einziges Schellentamburin ließen sie zurück. Niemand konnte erklären, weshalb diePlünderer zwar Seide und Gold, aber keine Laute übersahen!
Mein Sohn, später sollte es für Malula noch schwerer werden. Eines Tages griff ein Trupp von über achthundert schwerbewaffneten Banditen unter der Führung eines Mörders das Dorf an, Gott verbrenne seine Seele. Das Dorf zählte samt Kindern nicht einmal 1500 Einwohner. Nun, die Überzahl der Belagerer wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sie nicht über Kanonen verfügt hätten. Dieser Angriff war der schwerste von allen. Über achthundert Männer zogen einen festen Ring um das kleine Dorf.
Sie konnten von Norden anrücken und die Felsen besetzen, doch die Malulianer kämpften mutig. Mehrere Leute fielen gleich am ersten Tag. Die Botschaft des Anführers verwirrte das Dorf: ›Wir wollen euch nur befreien, doch wenn ihr nicht wollt, so müssen wir euch umbringen.‹ Einige wollten aufgeben, doch ein junger Mann rief: ›Eine Befreiung kommt nie von außen!‹, und diese Worte brüllten die Bewohner den Angreifern als Antwort entgegen.
Die Malulianer versteckten die Kinder und ihr Vieh und verschanzten sich gegenüber dem schwerbewaffneten Heer. Sie schickten zwei mutige Männer in die Hauptstadt, um der Regierung mitzuteilen, daß die Belagerer mit Kanonen ausgerüstet waren. Der Anführer der Brandstifter ließ seine Kanonen auf das Kloster richten und bombardierte es, um die Bewohner zu demütigen, doch eine Handvoll Leuteverteidigte das Kloster und hinderte ihn daran, es zu besetzen. Nacht für Nacht schlichen erfahrene Bauern zum feindlichen Lager und steckten die Vorratszelte in Brand. Der Kampf dauerte Wochen, und als die Belagerten im Kloster die letzten Reserven verzehrt hatten, riefen sie: ›Wir haben nichts mehr zu essen. Wir werden nicht kapitulieren, aber laßt uns nicht den Hungertod sterben!‹ Doch diese Verfluchten hatte alle Wege zwischen dem Kloster in den hohen Felsen und dem Dorf abgeschnitten, so ließen die belagerten Verteidiger ein Seil zum Dorf herunter, und die Malulianer sammelten Essen für sie in einem großen Korb, den die Belagerten hinaufzogen. Der Bandenführer ließ auf den Korb schießen, doch er konnte ihn nicht treffen. Die Granaten zerstörten damals den Glockenturm. Im Dorf waren genug Vorräte, und mit der Zeit wendete sich das Blatt. Die Belagerer litten von Tag zu Tag mehr unter dem Hunger, und so mußten sie abziehen.
Eine große Freude war das, als wir am folgenden Tag durch die Rufe der Männer vom Klosterdach herab geweckt wurden. ›Sie sind abgezogen, sie sind abgezogen! Malula ist frei!‹ riefen sie. Großer Jubel brach im Dorf aus. Die Leute tanzten und weinten vor Freude, dann trieben sie ihre Tiere auf die Felder, damit die armen Geschöpfe nach Wochen der Dunkelheit etwas frische Luft schnappen konnten. Das ganze Dorf war auf den Beinen. Alsbald kamen auch Flugzeuge der Regierung, die Menschen winkten undsprangen in die Luft, doch plötzlich griffen die Flugzeuge sie an, weil die Piloten wahrscheinlich die Malulianer für Banditen hielten. Sie schossen auf alles, was sich bewegte. Ich war auch dabei und rannte ängstlich in eine Erdhöhle. Einige alte Bauern sahen zum ersten Mal in ihrem Leben ein Flugzeug. Sie wurden starr vor Angst. Ich erinnere mich noch an ihre hilflosen Rufe. ›Das ist der Zorn Gottes!‹ riefen die einen. ›Das sind fliegende Busse!‹ riefen die anderen. Ich muß lachen, wenn ich daran denke, wie mancher Muskelprotz sich hilflos hinter einer Maispflanze verstecken wollte und ernst um Ruhe
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