Märchensommer (German Edition)
und mir wieder auf den Kopf setzte. Dann stürmte ich davon. Julian lachte hinter mir, doch das war mir egal. Der konnte mich mal.
Für heute war ich lange genug auf dem Boden gekniet. Ich zog es vor, wieder dieses weiße Pulver zu streuen, also holte ich mir einen Eimer vom Container und setzte die Arbeit von heute Vormittag fort. Ich hatte kaum eine Länge geschafft, als hinter mir der Kies knirschte und ich wusste, dass ich nicht mehr alleine war. Es hatte keinen Sinn zu hoffen, dass es Marie oder Valentine waren. Ich unterdrückte ein verärgertes Grummeln und blickte über meine Schulter. Julian hatte begonnen, die Reben auf der gegenüberliegenden Seite des Weges zu bestreuen.
Er holte rasch auf, doch er wich meinem Blick aus, als wir auf gleicher Höhe waren. Im Gegensatz dazu konnte ich nicht widerstehen, alle paar Schritte einen Blick in seine Richtung zu werfen. Der ausgefranste Saum seiner Hose schleifte im Staub. Ich ließ meinen Blick über seine langen Beine nach oben wandern und dann einen Moment auf seinen schlanken Hüften verharren. Was für ein Anblick. Sein flacher Bauch und seine muskulöse Brust zeichneten sich unter dem dunkelblauen T-Shirt ab. Die kurzen Ärmel spannten sich über seine starken Oberarme. Es juckte mich in den Fingern, diese Muskeln zu fühlen. Bei der Vorstellung wurden meine Wangen plötzlich heiß, und ich drehte meinen Kopf schnell zur Seite, ehe er etwas merkte.
Während wir wieder Seite an Seite arbeiteten, verflog mein Ärger von vorhin, was mir irgendwie Angst einjagte. Es fühlte sich vertrauter und viel sicherer an, auf jemanden böse zu sein, als eine plötzliche Schwäche für dessen Lächeln zu entdecken.
Vielleicht hatte ich mich ja geirrt. Vielleicht war da gar kein Hokuspokus. Was wäre, wenn das alles nur meine völlig verschrobene Art war, mit einer ganz einfachen Tatsache umzugehen? Nämlich damit, dass ich gerade dabei war, diesem Burschen zu verfallen? Und zwar unaufhaltsam.
Das angenehme Gefühl, das ich heute Morgen hatte, als er mich mit meiner Haarsträhne geweckt hatte, kam wieder in mir hoch. Wie konnte er nur in so kurzer Zeit so ein tiefes Loch in meinen Schutzpanzer schlagen? Das war praktisch unmöglich. Doch es ließ sich leider auch nicht abstreiten, dass er eine gewisse Anziehungskraft auf mich ausübte.
Er sagte, er sei nicht Charlenes Liebhaber. Doch konnte ich ihm auch vertrauen?
Alle paar Meter wischte Julian seine Hand an seinem Hintern ab, nur um dann gleich wieder in den Pulvereimer zu greifen. Seine rechte Pobacke sah mittlerweile aus, als hätte er sich in einen Sack Mehl gesetzt. Das erinnerte mich an den Handabdruck, den er heute auf meinem Po hinterlassen hatte. An die Art, wie er mich an sich gezogen hatte. Meine Ohren begannen zu glühen und mir wurde seltsam flau im Magen. Schmetterlings-flau. Großer Gott! Ich sollte lieber gar nicht erst daran denken.
Ich nahm den Hut ab und fächerte mir damit Luft zu. Dann setzte ich ihn wieder auf und versuchte mich auf die Arbeit zu konzentrieren.
„Ist Quinn denn wirklich dein Liebhaber?“
Die Luft zischte mir aus der Lunge, als ich mich überrascht zu Julian drehte. Neugierde blitzte in seinen Augen.
Das möchtest du wohl gerne wissen, Freundchen! Ich zog es vor, mit einem Schweigen zu antworten.
„Ja, ich dachte mir schon, dass es nur dummes Gerede war“, sagte Julian zufrieden.
Das brachte mich aus irgendeinem Grund zum Schmunzeln, aber eine Antwort bekam er trotzdem nicht.
Obwohl wir uns in den nächsten zwei Stunden kaum miteinander unterhielten, genoss ich es einfach nur, in seiner Nähe zu sein. Einmal erwischte ich ihn sogar dabei, wie er mich heimlich beobachtete, als ich mich bückte und die Hosenbeine bis zu den Knien hochrollte, um meinen kreideweißen Schenkel etwas Sonne zu gönnen. Julian grinste nur selbstgefällig, bevor er sich wieder umdrehte und weiterarbeitete.
Ich würde sicher nicht viele Dinge vermissen, wenn ich heute Nacht von hier verschwand. Doch Julians Lächeln gehörte definitiv dazu.
Um fünf Uhr nachmittags kehrten wir alle gemeinsam zum Haus zurück. Ich war total ausgehungert und freute mich über den üppig gedeckten Tisch. Es gab frisches Brot, Wurst, Käse, allerlei Gemüse und Obst aus dem Garten und hartgekochte Eier. Zu meiner übermäßigen Freude stellte ich fest, dass wir ohne meine Mutter essen würden, denn die schlief anscheinend tief und fest auf der Couch im Wohnzimmer. Mit nur uns vieren am Tisch erfuhr ich zum ersten
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