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Mafiatod

Mafiatod

Titel: Mafiatod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donald E. Westlake
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anbelangt – du darfst meine Worte von vorhin nicht missverstehen. Edith war nicht schlecht. Keine Berufsmäßige.«
    »Lass uns nicht mehr davon reden.«
    Er wurde ungehalten und funkelte mich an. »Sie war eine gute Frau. Sie schenkte mir einen guten Sohn.«
    Ich musste lachen. »Schon recht.«
    Er lächelte zurück. »Ja, es ist recht, Junge. Und ich will dir etwas sagen. Die haben den Kopf verloren und leben in Tausend Ängsten. Wenn ich euch beide ansehe, ist es gar keine Frage, wer von euch Will Kellys Sohn ist. Keine Frage. Aber es besteht immer eine Möglichkeit, und davor haben sie Angst. Sie werden es sogar auf den Sohn absehen. Warte nur ab.«
    »Glaubst du?«
    »Warte nur ab. Ha!« Er lehnte sich wieder zurück und rauchte wie ein Finanzmann; seine Augen glänzten im Schummerlicht der Bar. »Wir werden ihnen die Hölle heiß machen, Junge! Wer will schon Florida?«
    »Die Seminolen.«
    »Sie können es haben.« Er beugte sich plötzlich vor. »Weißt du, was ich vorhatte? Ich hielt mich für einen alten Mann, verbraucht und abgetakelt. Ich schrieb meiner Schwester – ein kaltes Frauenzimmer, aber ich hatte sonst niemanden auf der Welt – und sagte ihr, sie sollte die Niete verlassen, mit der sie verheiratet ist, und mit mir nach Florida gehen. Ich habe eine Menge Geld auf die Seite geschafft, das dazu zwanzig Jahre lang Zinsen getragen hat. Verstehst du? Der alte verbrauchte Eddie Kapp wollte mit seiner Schwester im sonnigen Florida im Ruhestand leben.« Er drückte die Zigarette aus. »Familie, Familie, Familie, das ist immer die gleiche verdammte Geschichte.« Er sprach leise und grimmig. »Mit der ganzen Bande, mit dir und mit mir. Immer die gleiche verdammte Geschichte. Ich wollte den Rest meines Lebens mit meiner Schwester verbringen. Ausgerechnet mit meiner Schwester! Ich hasse sie, sie ist eine Heuchlerin, das war sie schon immer.«
    »Ich war bei ihr«, warf ich ein. »Sie ist nur enttäuscht und verbittert.«
    Er feixte. »Nimm dich in Acht, Junge, du sprichst von deiner Tante.«
    Ich lachte. »Tatsächlich!«
    »Ich sage dir, ich hatte es aufgegeben. Tony und der Franzose und alle Übrigen schrieben mir Briefe. Komm zurück, wenn man dich freilässt, Eddie, wir sind bereit. Wir warten nur auf dich, Eddie, um wieder loszulegen. Ach, zum Teufel damit. Darum hielt ich mich für einen alten Mann, der für den Ruhestand reif ist. Zusammen mit der einzigen Verwandten in der Welt.« Er lächelte schmerzlich. »Jedes Mal ist es die Familie. Wo bleibt der verfluchte Kellner? Ich komme wieder auf den Geschmack.«
    Wir bestellten nochmals, und nachdem der Kellner die Runde gebracht hatte, fuhr Kapp fort: »Ich will dir von der Familie erzählen. Als ich dich sah, wer wusste da, was einmal aus dir werden würde? Vor zweiundzwanzig Jahren sah alles einfach aus. Damals dachte ich, wenn dieses Kerlchen in den Zwanzigern ist, bin ich wieder draußen, und dann wird mir mein Sohn zur Seite stehen. Verstehst du? Aber jetzt … Du warst Kellys Sohn, nicht meiner.« Er trank, zog an der Zigarette und zwinkerte mir lächelnd zu. »Dann sah ich dich wieder, Junge. Raymond Peter Kelly. Behalte nur diesen Nachnamen. Wen kümmert das? Ich sah dich und erkannte in dir meinen Sohn.« Er stand auf und blickte sich um. »Wo ist die Toilette?«
    Er musste einen Kellner fragen. Ich blieb sitzen und dachte über ihn nach. Ich dachte: Er hatte ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau namens Edith Kelly, und die Folge war, dass ich zur Welt kam. Das konnte ich glauben und begreifen. Ich dachte: Er ist mein Vater. Das war etwas ganz anderes.
    Er kam zurück und setzte sich. Er leerte das zweite Glas, und wir bestellten eine dritte Runde. Danach sprach er weiter, als ob er keinen Augenblick unterbrochen hätte. »Das mit der Familie ist für viele Menschen wichtig. Für alle möglichen Menschen. Und ich sage dir, für eine bestimmte Gruppe ist es besonders wichtig, und zwar für das Gesindel. Besonders in New York. Du glaubst mir nicht? Hartgesottene Leute, denkst du. O nein. Unter den Revolverhelden des Alkoholschmuggels gab es keinen, der nicht von seinen ersten paar Tausendern seiner Mutter ein Haus gekauft hätte. Rote Ziegelhäuser. Es mussten Ziegelhäuser sein, ich weiß nicht warum. Tradition der Rasse, Herkunftsland – du weißt schon, was ich meine. Italiener auf nationaler Ebene. Iren und Juden auf lokaler Ebene. Für alle dreht es sich nur um die Familie, die Familie und nochmals die Familie. Habe ich nicht

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