Mafiatod
Unsere Mutter war nicht von der Sorte, die im Ladies Home Journal abgebildet wird.«
Er stieß sich von der Wand ab, sank auf die Knie, ließ die Arme hängen und begann zu weinen.
Ich ging wieder zum Wagen und sagte zu Kapp: »Er wird gleich kommen. Er wird Ihnen nichts mehr tun.«
»Gut.« Er nickte. Seine Augen waren halb geschlossen, die Hände lagen schlaff auf dem Schoß. Die geschwollene Hand sah noch schlimmer aus. »Ich bin müde«, murmelte er. Mühsam machte er die Augen ganz auf und betrachtete mich forschend. Er lächelte. »Du bist mein einziges Kind, weißt du das? Mein einziges Kind. Ich bin froh, dich zu sehen.« Ich zündete uns Zigaretten an.
17
Im September ist es nördlich von New York besonders schön. Ich stand neben dem Wagen, rauchte und sah mich um. Der Zigarettenrauch stieg dünn und blau in die Luft. Die Berge im Westen trugen teils das grüne Kleid des Sommers, teils das Braun und Rot des Herbstes. Der See blinkte hinter den Baumstämmen und Hütten blau und tief und kalt hervor. In der Ferne lag Vermont in dunkelgrünen Farben.
Ich sah Kapp nicht an. Ich wusste nicht, was für ein Gesicht ich machen sollte, wenn ich ihn ansah. Es war ja nicht so, als wäre ich mein Leben lang ein Waisenkind gewesen. Ich hatte einen Vater gehabt. Mit Kapp war ich blutsverwandt, aber ich empfand ihn als einen Fremden.
Nach einer Weile kam Bill zwischen den Hütten in Sicht. Er blieb dort stehen, sah nicht zu uns herüber und kramte eine Zigarette hervor. Er ging ungeschickt damit um, als ob er geschwollene Finger hätte. Dann stapfte er langsam zu uns, setzte sich schweigend ans Steuer und ließ den Motor an.
Ich schwankte, neben wen ich mich setzen sollte. Vorn graute es mir immer noch, aber ich wollte nicht, dass sich Bill ausgeschlossen fühlte. Kapp merkte es und sagte lächelnd zu mir: »Setz dich neben deinen Bruder. Ich möchte mich ausstrecken, ich bin müde.«
Ich stieg ein und knallte die Tür zu. Bill starrte durch die Windschutzscheibe und brummte: »Zum Hotel zurück?«
»Warum nicht?«, antwortete ich.
Wir fuhren nach Plattsburg. Kapp äußerte den Wunsch, etwas zu trinken. Bill stieg mit hängenden Schultern die Treppe hinauf, während ich mit Kapp durch die Lobby ins Restaurant ging. Es hieß Fife & Drum. Die Gläser waren rot, weiß und blau bemalt, um ein bisschen wie Trommeln auszusehen. In Erinnerung an den Unabhängigkeitskrieg.
»Ich habe seit fünfzehn Jahren keinen Schluck Alkohol getrunken«, sagte Kapp. »Welcher Scotch ist besonders gut?«
Ich zuckte die Schultern. »Ich nehme nie guten Scotch.«
Der Kellner beugte sich zu uns herunter und murmelte: »House of Lords?«
»Ein guter Name«, bemerkte Kapp. »Klingt nach etwas. Zwei Doppelte mit Eis.«
Der Kellner entfernte sich. Ich sagte: »Du warst doch über zwanzig Jahre im Gefängnis. Bekamst du denn in den ersten fünf Alkohol?«
Er zwinkerte. »Eigentlich sollte ich nach Sing Sing, mein Junge, aber ich hatte Beziehungen. Und früher war es in Dannemora etwas gemütlicher. Nicht wie in einem staatlichen Zuchthaus.« Er schnitt eine Grimasse. »Das ist es jetzt.«
Der Kellner kam und ging.
Kapp hob das Glas, kostete und verzog das Gesicht. Er hustete. »Ich habe es verlernt. Ich muss ganz von Neuem anfangen, so lange ist es her. Weißt du noch, wie scheußlich es das erste Mal schmeckte?«
»Möchtest du etwas Soda?«
»Ich? O nein, mein Junge. Nicht Eddie Kapp.« Er holte eine Zigarette hervor, wobei er nur eine Hand benutzte. Seine Linke sah erschreckend aus.
Ich reichte ihm mein Zippo und sagte: »Es tut mir leid, was ich dir angetan habe.«
»Lass gut sein. Erzähl mir lieber von Kelly. Von deinem Bruder. Er sieht nicht aus, als ob er sich mit solchen Dingen abgeben sollte.«
»Seine Frau wurde ebenfalls umgebracht.«
»Was? Seine Frau auch?« Er lehnte sich zurück und nickte mir lächelnd zu. »Demnach haben sie Angst. Haben Angst vor dem alten Eddie Kapp. Das ist gut.«
»Wir trafen einen Mann, der sagte, dass sich irgendwelcher Syndikats-Ärger in New York zusammenbraute. Deswegen wäre mein – mein Vater umgebracht worden. Deswegen wäre Kelly umgebracht worden.«
»Lass nur. Du denkst an ihn als an deinen Vater, nenn ihn ruhig deinen Vater. Er war dir ja auch viel mehr ein Vater als ich. Nicht wahr?«
»Du warst im Gefängnis.«
»Richtig.« Er nahm noch einen Schluck. »Allmählich gewöhne ich mich daran«, bemerkte er. Er klopfte Asche in den Aschenbecher ab. »Was deine Mutter
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