Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden
die Sonne versunken. Die alten Frauen erzählten, daß die Sonnenuntergänge vor hundert Jahren viel länger und viel strahlender gewesen wären. Seit dem Feuer wurden sie immer trüber. Jetzt war der Himmel grün und leuchtend, aber er besaß keine Intensität mehr.
Als sie hereinkam, warf ihr Mann ein Tuch über das, was er gerade getan hatte. Er stieß ein verlegenes Kichern aus. Zornig räusperte sie sich. »Die Dinge so zu machen, wie sie wirklich sind!« sagte sie. »Wie in dem Dunklen Zeitalter. Warum stellt ihr euch nicht alle auf die Köpfe? Die Wirkung wäre fast gleich.«
Verdrießlich blickte er sie an, die Hände hinter dem Rücken verschlungen. »Das glaube ich nicht.« Seine Stimme war sehr tief. »Wir haben heute bei der Arbeit darüber gesprochen. Ich glaube nicht, daß es unbedingt falsch ist. Sie haben es all die Jahre hindurch getan.« Er stand auf. Er war kräftig und geschmeidig. Instinktiv zog er das Zwerchfell ein, so daß sein mächtiger Brustkasten hervortrat. Sie lachte ihm ins Gesicht.
»Das haben die Männer getan. Am Ende haben selbst die Männer eingesehen, daß es falsch war, sogar vor dem Feuer. Und wir werden nicht dahin zurückkehren, nur damit ihr euer Vergnügen habt. Vater ist tot.«
»Oh, das tut mir leid. Ausgerechnet im letzten Stadium. Das muß eine Enttäuschung für dich sein. Können sie dir nicht von der öffentlichen Liste einen Namen geben?«
Sie schüttelte lächelnd den Kopf. Ängstlich schaute er sie an, aber sie drehte sich um und ging hinaus.
Als sie eine Tochter gewählt hatte, war sie zu ihrem Vater gegangen, um seine Einwilligung einzuholen. Er war bereits als zur Einwilligung verfügbar geplant gewesen und froh, daß sein Name weiterleben würde. Niemand dieser vorgeplanten Menschen fand das Leben sehr interessant; obgleich es ihnen gut ging und obgleich die Einwilligungen meistens für enge Freunde und Verwandte reserviert wurden, waren sie normalerweise doch immer verfügbar. Das Buchungsbüro zur Gleichhaltung, das diese Dinge regelte, weigerte sich aus politischen Gründen, eine lange Warteliste aufzustellen, und forderte wirklich gute Gründe, bevor es einen Namen zur Verfügung stellte. Wenn eine Frau sich entschloß, ein Kind zu haben, wußte sie, daß sie einen Privatwechsel vorzeigen müßte. Und das bedeutete in Madis Klasse die Zustimmung eines Mannes für eine Frau.
Der Mann hinter dem Tisch begrüßte sie zurückhaltend. Selbst wenn er sie nicht persönlich kannte, so wußte er doch, was ihre Kleider bedeuteten. Man mußte vorsichtig sein. »Mein Vater war eingeplant und hatte seine Zustimmung gegeben, aber er ist gestorben.«
Der Mann schnalzte mitfühlend mit der Zunge, aber er sah noch besorgter aus als zuvor. »O weh«, sagte er, »das tut mir leid. Das können wir nicht akzeptieren, wie Sie wissen. Die Gesetze sind sehr genau, und wir wagen es nicht, Ausnahmen zu machen.«
»Das weiß ich«, sagte sie.
»Können Sie uns vielleicht einen anderen Namen von der Liste nennen? Selbstverständlich müßte dann auch eine Einwilligung erfolgen, aber ich nehme an, daß Sie die Dinge arrangieren können.«
Sie schüttelte den Kopf zum zweitenmal. »Ich möchte mit dem Registrator sprechen«, sagte sie.
»Nun, ich weiß nicht recht. Ich könnte mich erkundigen, ob der Registrator Zeit hat.«
»Bitte jetzt«, sagte sie.
»Die Volksliste?« fragte der weibliche Registrator. Sie blickte die junge Frau völlig unbeteiligt an, nicht abweisend, aber auch nicht interessiert. »Ich glaube nicht, daß etwas vorliegt. Diese Tochter war nicht gefordert, nicht wahr?«
»Nein, ich habe sie selbst gewählt?«
»Durch Ihren Ehemann?«
»Ja. Ich war ein Narr, ihn auch zu wählen. Er hat noch zwei Jahre.«
»Sie sind eine von uns. Sie sprechen mit der Mutter. Haben Sie ihr diese Angelegenheit dargelegt?«
»Sie weiß Bescheid, ja. Ich erzählte ihr, was ich möchte. Sie hat nichts erwidert.«
Der weibliche Registrator hob die Hände. »Ich habe keinen Namen verfügbar, Madi, nicht unter diesen Umständen. Sie wissen, was das Gesetz vorschreibt, und Sie wissen auch, warum es so ist. Wir brauchen ein Leben für ein Leben, selbst bei natürlichem Abgang. Diese Dinge geschehen recht häufig. Wenn die Leute auf der Liste ihren Namen einmal freigegeben haben, dann besteht keine große Aussicht darauf, als natürlicher Abgang zu gelten. Das ist etwas, gegen das wir schwer anzukämpfen haben. Und auf jeden Fall ist es nicht unsere Aufgabe, dies zu
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