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Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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jungfräulichen Großmutter.«
    In der Halle des Rand-Hotels küßten sie einander. Giovanni ging zurück auf die Straße, von wo aus er Jane durch ein Fenster auf einem Sofa kauern und aufmerksam in einem Magazin blättern sah. Er sah nicht, wie sie eine Viertelstunde später aufstand, dem Nachtportier lässig zuwinkte (der winkte zurück und hielt sie für eine Amerikanerin auf der Durchreise) und das Hotel verließ.
    Am nächsten Tag rief Giovanni im Rand-Hotel an, erhielt eine Verbindung und wurde sich erschreckt bewußt, daß er nicht wußte, wie Jane mit Familiennamen hieß. Er hatte sich nicht mit ihr verabredet. Er ging in das Buchgeschäft auf der Via Venezia, in das kleine Café (das noch nicht einmal geöffnet hatte), zu der Brücke, aber bei Tageslicht wirkte alles ganz anders. Er rief seine Schwester an und fragte, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen hätte, er gab der Telefonzentrale des Rand-Hotels Anweisungen, einem jungen englischen Mädchen mit dem Namen Jane eine Nachricht zu geben. Er stellte sich vor, wie das Telefonfräulein seine Notiz einer Jane mit strohgelben Haarflechten übermitteln würde, die vielleicht nicht älter als elf Jahre war. Mit in die Hände gestütztem Kinn saß er auf einer Bank. Um acht Uhr aß er zu Hause zu Abend; um zehn ging er zu dem kleinen Kaffeehaus.
    Jane saß an einem Tisch bei der Tür; sie trug ihr rosa Kleid. »Wo bist du gewesen?« fragte sie mit strenger Stimme und tat so, als blickte sie ihn durch Brillengläser hindurch an. Sie stand auf und ging mit ihm hinaus. Bei einer Toreinfahrt blieben sie beide plötzlich stehen und umarmten und küßten sich heftig und atemlos, fast verzweifelt. Giovanni lehnte sich gegen das Gittertor und wischte sich die Stirn ab.
    »Dio!« rief er aus.
    »Du bist so gut«, sagte Jane. »So süß und so gut zu mir.« Er war nicht erstaunt, als er merkte, daß sie hysterisch schluchzte. »Du weißt ja nicht – du weißt ja nicht«, stöhnte sie.
    »Ich weiß alles«, erwiderte er mit erstickter Stimme.
    »Esel!« Sie schüttelte den Kopf. »Nichts weißt du! Was wollen wir heute nacht unternehmen?«
    »O Jane!« Giovanni griff wieder nach ihr. Aber sie entwand sich ihm und musterte ihn ernst, während er sich bemühte, seine Fassung wiederzugewinnen.
    »Ich möchte in die amerikanische Bar gehen«, sagte sie. Sie trat einen Schritt vor und streckte die Arme aus. »Oh, mein Liebling, mein Liebling!« stöhnte sie.
    »Nicht noch einmal! Nicht hier!« Er drehte sich um und lehnte die Stirn gegen das eiserne Gitter. »Ich bringe dich irgendwohin«, sagte er flehend. »Aber, cara, halte dich in der Öffentlichkeit von mir fern, bitte.«
    »Mein Gott, bist du empfindlich.«
    »Ich bin wahnsinnig und so wild wie der Wind und das Wasser«, sagte er.
    Jane fegte in die amerikanische Bar wie ein Wirbelwind. Sie begrüßte jeden einzelnen, unaufhörlich plauderte sie, während sie sich in Giovannis Arm hängte – über einen Fisch, den ihr Vater gefangen hatte, der so groß war, nein, so groß, nein so ... über ihre Kindheit, über ein Albino-Eichhörnchen, über Giovanni, über Zeitungen, über die russische Sprache. Sie ließ sich von einem Mann zum Billardspielen einladen, und sie raffte ihr Kleid so weit hoch, als wollte sie den Fuß auf einen Stuhl stellen.
    »Verdammt, Jane!« flüsterte Giovanni. »Zeig doch nicht allen deine Knie!«
    »Warum, stimmt mit ihnen was nicht?« flüsterte sie zurück. Sie rauchte zum erstenmal und dampfte dabei wie ein wildgewordener Schornstein.
    »Die Knie gehören mir!«
    »Du darfst sie dir ansehen wie alle anderen auch«, entgegnete sie boshaft.
    Sie verließen die amerikanische Bar vor Mitternacht und gingen in ein altes Hotel mit viel Plüsch, Stuckwerk und Vergoldung, in dem die Möbel Staub ausspien und seit fünfzig Jahren niemand mehr die Decken gesäubert hatte. Jane lehnte sich gegen die karmesinroten schweren Vorhänge ihres Zimmers, sie sah ein wenig verloren und traurig aus.
    »Glaubst du, daß du mich für ewig lieben wirst?« fragte sie im normalsten Unterhaltungston, den man sich nur vorstellen konnte.
    »Großer Gott!« rief Giovanni aus. »Schau dich doch an schmale Hüften, lange Beine – wie Diana!«
    »Nein, natürlich wirst du das nicht«, murmelte Jane nachdenklich. »Natürlich nicht; eines Tages wirst du sterben. Es ist ein Jammer!«
    »Mein Liebling – bitte –«
    »Aber bis dahin«, sagte Jane mit einem Seufzer. »Bis dahin –« Sie hatte darauf bestanden, die

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