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Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden

Titel: Magazine of Fantasy and Science Fiction 06 - Die Überlebenden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.A.
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Vorhänge offenzulassen, obgleich die Fenster ihres Zimmers auf den Hof und zu der anderen Seite des Hotels führten. Giovanni versuchte, zu ihr zu gelangen, ohne durch die Fenster gesehen zu werden.
    »Um Himmels willen«, stöhnte er, »willst du mich töten?«
    »Nein«, lächelte Jane. »Warte.« Mit einer äußerst graziösen Geste wickelte sie sich in die Vorhänge. Wie einer der alten römischen Kobolde oder eine Sylphe stand sie vor dem Fenster, dann knipste sie das Licht aus.
    Aber die vorhanglosen Fenster störten ihn, und nach ungefähr einer Stunde stahl er sich aus dem Bett und zog sie zu, um endlich doch seinem Bedürfnis nach einer privaten Atmosphäre nachzukommen. Später hörte er im Halbschlaf, wie Jane mit sich selbst redete, und als er erwachte, saß sie auf dem Bettrand und zog sich die Schuhe an, ihr Kleid war am Rücken offen.
    »Dove va?« sagte er schläfrig.
    »Ssssht.« Sie streichelte seinen Kopf.
    »Cara, wohin gehst du?«
    »Nach Haus, mein Liebling.«
    »Aber es ist noch sehr zeitig«, klagte er. »Draußen ist es noch ganz dunkel.«
    »Ja, ja, ja«, flüsterte sie ungeduldig.
    Durch die Vorhänge stahl sich ein schwacher Lichtschimmer. »Ich weiß, mein Liebling, aber ich kann gar nicht vorsichtig genug sein. Ich habe wie ein Toter geschlafen. Stundenlang. Mach mein Kleid zu, ja?« Ungeschickt hantierte er an den Knöpfen. »Schnell, schnell!« Sie entzog sich ihm und tat es selbst. In seiner Schlaftrunkenheit kam es ihm so vor, als glitten ihre Finger nur über die Knöpfe hinweg, ohne sie wirklich zu berühren. Er ließ sich in die Kissen zurücksinken. »Es ist noch dunkel«, schmollte er. »Sieh doch selbst nach.« Er hörte wie im Traum ihre Schritte im Zimmer und schlief wieder ein. Einen Moment herrschte Stille; dann hörte er ein erschrecktes Keuchen – Jane hatte die Vorhänge berührt. Sie zog sie mit einem Ruck zur Seite, und augenblicklich war der Raum von Licht durchflutet. Es war fast Tag. Auf den Pflastersteinen lärmten Spatzen, und vom Hof winkte ihr ein Mann – ein Milchmann oder Koch – freundlich zu.
    »Oh, du Verfluchter, du gemeiner, verdammter – oh!« schrie sie. Ihr Gesicht überzog sich mit Blut. Sie lehnte sich über ihren Geliebten und schüttelte ihn.
    »Cara –« Er taumelte hoch. »Cara, cara! Was hast du?«
    »Sieh nur!« kreischte sie unter Schluchzen. »Sieh doch! Sieh!« Und sie zerrte den nackten Mann zum Fenster. Dann trat sie einen Schritt zurück und schlug mit der Faust gegen die Scheibe; sie zersplitterte und fiel herunter. Mit der anderen Hand fuhr sie hindurch und schlug mit den Handgelenken gegen die scharfen Kanten des Glases.
    »Nicht!« rief Giovanni. »Nicht! Mein Gott! Du wirst dir weh tun –«, und er ergriff ihre Hände, die so weiß wie Lilien waren und keinerlei Spuren von Schnitten aufwiesen.
    »Du Idiot!« zischte sie. »Du verdammter Idiot! Ich kann mich nicht verletzen. Verstehst du denn nicht?«
    »Nein – ich verstehe gar nichts«, erwiderte er zitternd. »Ich verstehe nichts. Ich liebe dich.« Über die gegenüberliegenden Dächer strichen Sonnenstrahlen, und Jane schwieg plötzlich. Fasziniert beobachtete sie sie. Langsam drehte sie sich in seinen Armen herum, ein unbestimmtes Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, ein unbestimmtes Lächeln, wie man es manchmal bei Blinden sieht. Das Sonnenlicht fiel auf die geschwungenen Ornamente über dem Fenster, flutete durch das gebrochene Glas und malte einen schrägen Schatten über den Sims.
    »O mein Liebling«, hauchte Jane. »Es ist alles vorbei.« Giovanni drückte sie fester an sich.
    Er hielt Staub im Arm; er glitt durch seine Finger, schwebte einen Augenblick im schimmernden Sonnenlicht und sank dann leicht zu Boden.
    Bei seinen Versuchen, ihre Spuren durch Rom zu verfolgen, sprach Giovanni mit dem Besitzer der amerikanischen Bar, und am darauffolgenden Tag besuchte er den englischen Friedhof in Rom, wo so viele berühmte und erlauchte Tote begraben liegen. Aber als die Dämmerung hereinbrach, glitt keine wunderschöne, verrückte Inglese hinter den Steinen hervor oder erhob sich wie ein Nebelhauch vom Erdboden. Aber – nahe am Eingangstor, wo die Lichter von der Straße her einfielen – fand er einen Granitblock, halb verborgen unter dichtem Unkraut. Darauf stand:
     
    Dem Andenken an Jane Hodd geweiht
    geboren am 17. Oktober 1803, in Oaks, Derbyshire,
    gestorben am 30. Mai 1921 in Rom – an Schwindsucht.
     
    Die Reise, die sie retten sollte, bewirkte ihren

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