Magazine of Fantasy and Science Fiction 10 - Wanderer durch Zeit und Raum
die Entriegelung vornahm und dann schnell zur Seite wich. Er ahnte die schlummernden, unerwünschten Erinnerungen. Die Furcht kroch in ihm hoch, und schnell folgte er dem Leutnant. Sie trafen sich in der sicheren Deckung. Manfred sah Jimmy an, und dann schnell wieder weg. Fast zu schnell. Es stimmt, dachte Jimmy. Auch ein Friedenspolizist ist nicht immun. Das Ungeläuterte ist allgegenwärtig, es ist immer da, irgendwo im Gehirn verborgen und immer bereit, plötzlich hervorzubrechen.
Er beobachtete Bane, aber es war nicht dessen Anblick, der ihn erschreckte, sondern er selbst. Er gestand sich das Verlangen ein, das Verbotene sehen zu wollen, er war fasziniert davon. Eigentlich sollte er nur daran denken, daß Notwendiges geschah, aber er konnte nicht verhindern, daß sein Puls schneller zu schlagen begann. Er sah Bane, seine nicht mehr gebändigte Kraft und seine Entschlossenheit, und er beneidete ihn plötzlich darum. Er genoß die Spannung. Sein Handrücken kam hoch und wischte den Speichel vom Mund.
Die Konzentration, mit der Bane die Tür studierte, übertrug sich auf ihn. Fast fühlte er das Gewicht des schweren Revolvers in Banes Hand, jener antiken, furchtbaren Waffe, die bald in Aktion treten sollte. Die Waffe war schön, in gewisser Beziehung. Es mußte wunderbar sein, sie halten zu können, ihre Kraft und Macht zu spüren. Er starrte sie an, bis sie vor seinen Augen verschwamm.
Leutnant Manfred sah aus dem Fenster, dann auf die Uhr. Bald ist die Nacht vorbei, dachte Jimmy und nickte. Bis morgen früh mußte alles erledigt sein. Niemand durfte etwas sehen. Nichts breitet sich schneller aus als das Gift des Geistes, als dunkle Gerüchte und das Ahnen ausgelöschter Erinnerungen.
»Sie müssen versuchen, die Frau zu retten«, sagte Leutnant Manfred.
Jimmy wunderte sich, daß der Leutnant so kühl war. Aber – war er es wirklich? Hatte er sich so unter Kontrolle, wie es den Anschein erweckte? Wer konnte das wissen? Wer wußte überhaupt etwas von ihnen? Wer wußte etwas über sich selbst? Was war mit Mrs. Palmer, wenn sie gerettet, unter Quarantäne gestellt, die Erinnerung ausgelöscht und sie in ihre Wohnung zurückgebracht wurde?
Niemand konnte wissen, ob sie dann wirklich sauber und geläutert war.
»Die Chance, sie zu retten, ist verdammt gering«, gab Bane kühl zurück. Langsam bewegte er sich auf die Schlafzimmertür zu. Er grinste. Er blieb stelzen, dann ein weiterer Schritt. Er genoß die Vorfreude, spielte mit ihr, denn er liebte das, was alle Welt nicht einmal beim Namen nennen durfte.
Jimmys Hände lagen feucht auf der Tapete. Seine Lungen schmerzten, wenn er atmete. Er hatte sich Banes Gesichtsausdruck eingeprägt, die Vorfreude darauf. Sie erinnerte ihn an etwas anderes. So sahen Männer aus, die eine Frau liebten, aber das war ein Vergleich, den er sofort wieder vergessen mußte.
»Ich werde schnell hineinspringen«, sagte Bane jetzt. »Vielleicht kann ich ihn überraschen. Wenn er sie nicht gleich erschießt, kann ich ihn rechtzeitig erledigen. Sonst ist die Frau eben verloren er aber auch. Es sei denn, ich bin schneller als er und erwische ihn gleich am Kopf.«
Leutnant Manfreds Lächeln war seltsam gezwungen.
»Wenn es einer schafft, Bane, dann Sie.«
Bane zuckte die Schultern und machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu. Sein Mund war ein schmaler Strich. Seine Augen waren weit geöffnet und wachsam. Lautlos lachte er, den Revolver fest in der Hand. Mit der anderen Hand löschte er das Licht im Wohnzimmer. Mondlicht fiel durchs Fenster; es war kalt und frostig und silbern. Bane wurde zu einem dunklen Schatten.
Dann hörte Jimmy das Splittern von Holz, als Bane sich mit aller Wucht gegen die Tür warf. Der erste Schuß krachte und zerriß die fast unerträgliche Spannung.
Jimmy wollte sich umdrehen und davonlaufen, aber er konnte nicht. Seine tastenden Hände fanden Leutnant Manfred.
»Helfen Sie mir, Sir.«
Die Antwort des Leutnants ging im Krachen weiterer Schüsse unter.
Durch das Aufblitzen geblendet schloß Jimmy die Augen.
Dann schrie jemand.
Hell und schrill.
Dann Stille.
Langsam öffnete Jimmy die Augen. Im Mondlicht war nichts zu erkennen. Er atmete kurz, und es schmerzte immer noch in den Lungen. Sein Mund fühlte sich trocken an. Kletterte da nicht etwas Dunkles, Furchtbares an den Wänden herab, um sich auf ihn zu stürzen? Es schien ihn erdrücken zu wollen. Es griff nach seinem Gehirn. Es befahl ihm, Licht zu machen.
Er betätigte den Schalter, und es
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