Magazine of Fantasy and Science Fiction 19 - Welt der Illusionen
in der leeren Luft ein Lenkrad mit den Händen zu umfassen.
»Der Samtüberzug am Lenkrad gefällt mir wirklich«, sagte er und machte dabei streichelnde Bewegungen. »Er gibt dem Wagen gleich eine besondere Note ...«
Die beiden alten Männer trotteten langsam über die riesigen Betonplatten auf ihr eigenes Gehege zu. Ihre mit Porridge befleckten Gewänder, die an mottenzerfressene Leichentücher erinnerten, schleiften hinter ihnen her.
Duell im Traum
(A Friend To Alexander)
James Thurber
»In letzter Zeit träume ich jede Nacht von Aaron Burr«, sagte Andrews.
»Warum?« fragte Mrs. Andrews.
»Woher soll ich das wissen?« knurrte Andrews.
Mrs. Andrews reagierte nicht; sie beobachtete nur ihren Mann, der in seinem dunkelblauen Morgenrock auf der Chaiselongue in ihrem Schlafzimmer lag und eine Zigarette rauchte. Obwohl er eben erst aufgestanden war, sah er müde und erschöpft aus. Bevor er wieder an der Zigarette zog, biß er sich auf die Unterlippe.
»Eigentlich komisch, daß du ausgerechnet von Aaron Burr träumst – nachdem die politische Lage in der Welt so unsicher ist, meine ich. Warum gehst du nicht zu Doktor Fox und läßt dich gründlich untersuchen?« Mrs. Andrews klappte ihren Kriminalroman zu und warf das Buch ans Fußende ihres Bettes. Sie richtete sich auf und rückte das Kissen zurecht. »Vielleicht brauchst du Lebertran oder B 1 «, sagte sie. »B 1 wirkt bei vielen Leuten geradezu Wunder. Ich kann nicht verstehen, weshalb du ausgerechnet ihn in deinen Träumen siehst. Wo siehst du ihn überhaupt?«
»Oh, überall; am Washington Square, in Bowling Green oder am Broadway. Ich spreche mit einer Dame, deren Landauer neben mir hält, einer Dame mit weißem Spitzenschirm, und dann taucht plötzlich Burr auf, verbeugt sich, lächelt, duftet wie eine Nelke, erzählt seine Geschichten aus Frankreich und bringt seine Unverschämtheiten an.«
Mrs. Andrews zündete sich eine Zigarette an, obwohl sie sonst nie vor dem Mittagessen rauchte. »Wer ist die Frau in dem Landauer?« fragte sie.
»Was? Woher soll ich das wissen? Du weißt doch, wie merkwürdig die Menschen in Träumen sind, nicht wahr? Sie sind niemand – oder jeder.«
»Du siehst Aaron Burr aber trotzdem ganz deutlich. Ich meine, er ist nicht niemand oder jeder.«
»Schon gut, schon gut«, sagte Andrews. »Du hast wieder einmal recht. Aber ich habe keine Ahnung, wer die Frau ist, und will es gar nicht wissen. Vielleicht ist es Madam Jumel oder Mittens Willet oder ein Mädchen, das ich in der Schule gekannt habe. Das ist auch nicht weiter wichtig.«
»Wer ist Mittens Willet?« fragte Mrs. Andrews.
»Sie war früher eine berühmte New Yorker Schauspielerin, aber das ist schon mindestens fünfzig Jahre her. Sie liegt im alten Friedhof an der Second Avenue begraben.«
»Das ist wirklich traurig«, sagte Mrs. Andrews.
»Warum denn?« wollte Andrews wissen, der jetzt unruhig auf dem dunkelroten Teppich auf und ab ging.
»Ich meine, sie ist wahrscheinlich jung gestorben«, antwortete Mrs. Andrews. »Damals sind fast alle Frauen jung gestorben.«
Andrews ignorierte sie, ging ans Fenster hinüber und starrte auf die saubere Straße hinaus. »Er ist ein gemeiner, zynischer Schuft«, sagte Andrews und wandte sich plötzlich vom Fenster ab. »Ich unterhielt mich eben mit Alexander Hamilton, als Burr herankam und ihm eine Ohrfeige gab. Weißt du, wer Hamilton war, als ich ihn wieder ansah?«
»Keine Ahnung«, sagte Mrs. Andrews. »Wer war er also?«
»Er war mein Bruder, der auf dem Friedhof von einem Betrunkenen ermordet worden ist.«
Mrs. Andrews hatte diese komplizierte Geschichte nie ganz richtig verstanden und wollte jetzt nicht wieder damit anfangen; die näheren Umstände dieses tragischen Falls und die Tatsache, daß sie immer alles durcheinanderbrachte, machten Andrews unweigerlich wütend. »Vielleicht ist es besser, wenn wir nicht mehr von deinem Alptraum sprechen«, sagte Mrs. Andrews deshalb. »Meiner Meinung nach müssen wir mehr aus der Stadt heraus. Eigentlich könnten wir an den Wochenenden aufs Land fahren.«
Andrews hörte nicht mehr zu; er stand wieder am Fenster und starrte auf die Straße hinaus.
»Wenn der Kerl doch endlich nach Frankreich zurückfahren und dort bleiben würde«, sagte Andrews plötzlich am nächsten Morgen beim Frühstück.
»Wer denn, Schatz?« fragte seine Frau. »Oh, du meinst Aaron Burr. Hast du schon wieder von ihm geträumt? Ich kann einfach nicht verstehen, weshalb du immer
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