Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)
ziemlich mühsam. Wieder Temperaturmessen nach Doktor Knaus, doch mein Zyklus war unregelmäßig, seit der Geburt von Lukas hatte ich immer wieder starke Blutungen. Zwischendurch die Antibabypille, etwas ganz Neues, das die Kirche verteufelte und ich dennoch probierte, aber nicht vertrug. Im Falle einer Schwangerschaft würde ich jedenfalls nicht abtreiben, niemals.
Was wäre, wenn wir ein zweites Kind hätten? Die Sehnsucht nach noch einem Kind überkam mich alle paar Monate.
Kurz vor Ostern, 1968, stürmte Konrad in die Wohnung, schmiss seine Aktentasche auf den Tisch und rief: «Wir bauen!»
«Wirklich? Ich hol das Lego!» Lukas war verwundert, normalerweise spielte sein Vater kein Lego.
«Nein, wir bauen richtig.»
Ich lachte nur. «Konrad, du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank.»
In den Osterferien diskutierten wir Tag und Nacht. Konrad hörte nicht auf zu drängen, ich bremste. Obwohl ich von Hause aus eine große Klappe habe, bin ich bei weitreichenden Projekten ein richtiger Hasenfuß. In Gedanken war er schon weit vorausgeeilt, hatte das Für und Wider bedacht und abgewogen. Unser Kapital waren die Tonberger Jahre: kaum Miete, Holz umsonst und keine Gelegenheit zum Geldausgeben, der Schwarzwald war die reinste Sparkasse gewesen, ein Kräftesammeln, «vor dem großen Sprung», so deutete es Konrad jetzt.
Unsere Lehrerwohnung in Sonnenmatt, rechnete er mir vor, sei nicht billig. «Ruck, zuck ist die Miete erhöht, und immer am Gängelband der Gemeinde, Magdalena, das kannst du doch auch nicht wollen.» Sie war wirklich unbequem und verwohnt, in diesem Punkt konnte ich ihm nur zustimmen. Mit den Öfen vor allem kam ich überhaupt nicht zurecht. Renovieren und investieren wollte die Gemeinde erklärtermaßen nicht, der vorige Lehrer hat es auch ausgehalten, hieß es amtlicherseits. «Mehr hen wir auch nit daheim.» Sich mit diesen Bauerndickschädeln weiterhin rumschlagen? Lebenslänglich? Konrad lockte mich, fand andauernd neue Argumente. Kaffee trinken im Garten könnte so schön sein, wenn man einfach von der Küche zur Tür hinaustritt und nicht wie jetzt mit dem Tablett eine Treppe runterturnen muss und dann noch ums ganze Haus herum, und wehe, es fehlt der Zucker!
«In zwanzig Jahren sind wir schuldenfrei», sagte Konrad im Fanfarenton, gefolgt von dem üblichen Papierrascheln. Das Geräusch des Notizblocks, den er ständig mit sich trug, machte mich schier verrückt. «Mit Zins und Zinseszins, Magdalena.»
«Schrecklich.»
«Du kannst doch mehr für die Zeitung schreiben, dann geht es schneller.»
Konrad träumte. Sonntags nach der Kirche packte er uns ins Auto, wir fuhren Kollegen besuchen, die gerade gebaut hatten. Alle Welt baute ja damals, in Sonnenmatt und überall. In den Dörfern rings um uns herum wurde ein Wiesle nach dem anderen zum Baugrund erklärt. Im Briefkasten fand man neuerdings Prospekte für Dachziegel oder Heizungsanlagen, von Versicherungen, die noch gar nicht gebaute Häuser unter ihren Schutz nehmen wollten.
«Neubäule rüssle» war unsere neue Familienbeschäftigung. Bei flüchtig bekannten und sogar wildfremden Leuten inspizierten wir Häuser, vom Keller bis zum Dach, Terrassen mit Plastikdach, Garagen, Doppelgaragen. Konrad rüttelte übermütig an den Türen, an jedem Fenster, ob sie stabil waren.
«Nein, ich will keine Küche, die direkt ins Esszimmer geht!»
«Doch, aber ich.» Mit einem Mal hatte er mich am Haken, da habe ich mitmischen müssen.
«Das Dach nicht zu flach.»
«Und wie dann? Zu steil aber auch nicht.» Mit dem «Glotz» studierte ich die Dachneigung. Ein Okal-Haus. Wenn, sprach viel für ein Fertighaus, alles aus einer Hand, tipptopp, und ruck, zuck ist es da.
Es war nicht so, dass ich mich nur widersetzt habe. Im Jahr zuvor, im Spätsommer, hatte mich schon mal eine ähnliche Anwandlung überkommen. Das hatte ich Konrad nur verschwiegen, der Gedanke erschien mir allzu verwegen. Eine Bäuerin hatte mir erlaubt, auf dem Grundstück nebenan Fallobst zu sammeln – ein Rübenacker, in dessen Mitte drei Apfelbäume standen. «Am besten, Sie nehmen vom mittleren Baum, das sind Goldparmänen.» Das Gelände war von der Straße durch eine relativ hohe Böschung getrennt, dann kam ein Zaun, wusste ich, es würde für mich nicht leicht sein. Mit zwei 10-Liter-Eimern bin ich losgezogen und hab erst mal Tante Hanna gefragt, die vor dem Haus saß, in eine Decke eingehüllt, es muss wenige Wochen vor ihrem Tod gewesen sein.
«Tante Hanna, können Sie
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