Maggie O´Dell 01 - Das Boese
Priester unantastbar sind.“ Er bestrich mit raschen, ärgerlichen Bewegungen seinen Toast.
„Bekommen wir dann überhaupt einen Beschluss?“
„Ich habe ihn zu überzeugen versucht, dass wir eigentlich hinter Ray Howard her sind.“
„Du glaubst immer noch, es ist Howard.“
„Ich weiß nicht.“ Er schob den Toast unangetastet beiseite und rieb sich das stoppelige Kinn.
Wieder fiel ihr die Bandage auf. „Was hast du mit deiner Hand gemacht?“
Er betrachtete sie, als könne er sich nicht erinnern. „Keine große Sache. Schau ...“ Er beugte sich wieder vor, und ein Hauch seines After Shave wehte zu ihr herüber, obwohl er sich nicht rasiert hatte. Sie spürte seine wachsende Ungeduld, da er offenbar wartete, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenkte.
„Entschuldige.“ Sie legte den Löffel beiseite, verschränkte die Arme und sah ihn gespannt an.
„Pater Keller hat mir gestern Abend erzählt, dass Ray Howard im letzten Jahr das Seminar verließ. Während ich auf Murphys Entscheidung gewartet habe, habe ich einiges überprüft. Ray Howard war auf dem Seminar in Silver Lake, New Hampshire. Es liegt an der Grenze zu Maine und weniger als fünfhundert Meilen von Wood River entfernt.“
Jetzt hatte er ihre ungeteilte Aufmerksamkeit. Sie richtete sich auf. „Wie lange war er dort?“
„Die letzten drei Jahre.“
„Dann hat er mit dem Mord in Wood River nichts zu tun.“
„Vielleicht. Aber ist es nicht trotzdem ein sonderbarer Zufall? Nach drei Jahren auf dem Priesterseminar sollte er wissen, wie man die Letzte Ölung gibt.“
„War er bei den ersten Morden bereits hier?“
„Ich lasse das von Hai überprüfen. Aber ich habe mit dem Leiter des Seminars gesprochen. Pater Vincent wollte mir keine Einzelheiten nennen, sagte jedoch, Howard sei wegen ungebührlichen Betragens aufgefordert worden, das Seminar zu verlassen.“ Er sagte das so, als sei das ein Beweis.
„Ungebührliches Betragen im Seminar kann alles bedeuten, Nick, vom Brechen des Schweigegelübdes bis zum Spucken auf den Bürgersteig. Howard ist mir nicht schlau genug, diese Verbrechen durchzuziehen.“
„Vielleicht möchte er, dass man genau das glaubt.“
Maggie beobachtete, wie Nick immer wieder seine Papierserviette faltete und so seine innere Unruhe verriet. Sie hörte ihn unter dem Tisch nervös mit dem Fuß klopfen.
„Sowohl Howard wie Keller hätten die Möglichkeit gehabt, Pater Francis zu beseitigen.“
„Mein Gott, Maggie, ich dachte, den Verdacht hättest du gestern nur gehabt, weil du betrunken warst. Du glaubst wirklich an ein Verbrechen?“
„Pater Francis sagte mir gestern Morgen, dass er mir etwas sehr Wichtiges mitteilen müsse. Ich weiß, dass unser Telefonat belauscht wurde. Ich konnte es in der Leitung klicken hören.“
„Das ist vielleicht ein Zufall.“
„Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass es nur wenige echte Zufälle gibt. Eine Autopsie könnte beweisen, ob er gestoßen wurde oder einfach gefallen ist.“
„Ohne hinreichende Verdachtsmomente können wir nicht einfach eine Autopsie veranlassen.“ Nick hantierte rastlos mit seinem Handy.
„Vielleicht könnte ich mit Pater Francis’ Familie sprechen - oder mit der Erzdiözese.“
„Maggie, wir haben einfach keine Zeit, um auf eine Autopsieerlaubnis oder einen Durchsuchungsbeschluss zu warten. Ich möchte Howard unter Druck setzen.“
Sie konnte nicht glauben, dass er immer noch Howard verdächtigte. Oder suchte er in seiner Verzweiflung nur nach einfachen Lösungen? Anstatt zu widersprechen, erwiderte sie: „Ob es nun Howard ist oder Keller, wenn er richtig unter Druck gerät ...“ Sie verstummte, da sie über Timmy sprachen, nicht über ein unbekanntes Opfer. Sie hatte Nick noch nicht gesagt, dass die Taten in immer kürzeren Abständen geschahen, doch er schien es irgendwie zu wissen.
„Wir haben nicht viel Zeit“ , sagte er, als lese er ihre Gedanken. Er wurde langsam gut darin. „Er schlägt in kürzeren Abständen zu, nicht wahr?“
Sie nickte.
„Lass uns gehen.“ Er warf ein Bündel Geldscheine auf den Tisch, ohne sie nachzuzählen, und schlängelte sich in seine Jacke.
„Wohin gehen wir?“
„Ich muss einen Pickup beschlagnahmen. Und du musst dich wegen deines Auftritts gestern bei Pater Keller entschuldigen.“
61. KAPITEL
Pater Keller sah sehr offiziell aus, als er diesmal die Tür des Pastorats öffnete. Er trug einen schwarzen Talar. Nick bemerkte jedoch sofort die weißen Nikes unter dem schwarzen,
Weitere Kostenlose Bücher