Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
macht?“
„Was?“
„Das Brot? Du weißt schon, diese kleinen trockenen Brotstücke für die Füllung.“ Maggie starrte sie verständnislos an. „Ach, macht nichts, ich werd’s schon finden.“
Natürlich hatte Maggie keine Ahnung, sie war ja selbst keine besonders gute Köchin. Kathleen erinnerte sich, wie Maggie einmal beim Weihnachtsplätzchenbacken nur ein paar steinharte Dinger zustande gebracht hatte und untröstlich war, als jemand vorschlug, sie sollte sie anmalen und als Untersetzer benutzen. Armes Mädchen. Sie hatte nie viel Sinn für Humor gehabt. Sie war immer sehr sensibel gewesen und hatte sich vieles zu Herzen genommen.
Als Kathleen endlich von ihrer Liste aufblickte, sah Maggie sie angesäuert an.
„Was sollen wir sonst noch für unser Thanksgiving-Dinner kaufen?“
„Mom, ich bin heute nicht gekommen, um über Thanksgiving zu reden.“
„Okay, worüber willst du dann reden?“
„Ich muss dir einige Fragen über Reverend Everett stellen.
„Was für Fragen?“ Vater hatte sie bereits gewarnt, dass Familienmitglieder versuchen würden, sie gegen ihn einzunehmen.
„Nur ein paar allgemeine Sachen über die Kirche.“
„Nun ja, ich habe einen Termin, den ich einhalten muss“, log sie, sah auf den Arm und fand keine Uhr. „Wirklich Maggiemaus, es wäre mir lieber gewesen, du hättest angerufen. Warum besprechen wir das alles nicht am Donnerstag?“
Sie ging zur Tür, um Maggie hinauszugeleiten, doch die blieb stehen und sah sie streng an. Nein, nicht streng, besorgt und zornig. Nein, nicht zornig. Nun ja, doch zornig, aber auch traurig. Manchmal hatte sie ganz traurige braune Augen. Genau wie ihr Vater, genau wie Thomas. Ja, sie kannte diesen Blick. Und sie wusste genau, was ihre Tochter dachte, ehe sie es sagte.
„Ich fasse es nicht! Du bist betrunken!“
53. KAPITEL
Maggie hatte es gewusst, sobald ihre Mutter sie Maggiemaus nannte. Den Kosenamen hatte ihr der Vater gegeben, und ihre Mutter benutzte ihn nur, wenn sie betrunken war. Aus dem Kosenamen war eine Warnung geworden, ein Signal, ein Sägen an den Nerven wie das Kratzen von Fingernägeln über eine Schiefertafel.
Sie sah ihre Mutter durchdringend an, doch die wich nicht zurück, ihre Hand blieb fest auf dem Türknauf. Allmächtiger! Sie hatte vergessen, wie gut ihre Mutter in diesem Spiel war. Und wie schlecht sie selbst, weil sie sich von ihren Emotionen hinreißen ließ, die immer noch die einer Zwölfjährigen waren. Sie begann in dem kleinen Wohnraum auf und ab zu gehen.
„Wie habe ich nur so dumm sein können, dir zu glauben?“ fragte Maggie und ärgerte sich, dass ihre Lippen bebten. Ein rascher Blick zeigte keine Veränderung im Mienenspiel der Mutter, das eine perfekte Kombination von Verblüffung und Unschuld war, als habe sie keine Ahnung, worüber ihre Tochter sich eigentlich aufrege.
„Ich habe eine Verabredung, Maggiemaus ... und noch viel zu packen.“ Nicht mal ihr Tonfall hatte sich verändert: immer noch diese vom Alkohol beflügelte süßliche Fröhlichkeit.
„Wie habe ich dir nur glauben können?“ Maggie versuchte, ihren Ärger zu unterdrücken. Warum nahm sie es jedes Mal so persönlich? Warum erschien ihr jeder Rückfall wie Verrat? „Ich dachte, du hättest aufgehört.“
„Ja, natürlich habe ich aufgehört. Ich habe aufgehört zu packen, um mit dir zu reden.“ Sie blieb an der Tür, Hand auf dem Griff. Vielleicht hoffte sie, selbst flüchten zu können, falls Maggie nicht ging. Sie beobachtete, wie Maggie vom einen Ende des Raumes zum anderen marschierte.
„Der Tee!“ sagte Maggie und schlug sich mit der Hand vor die Stirn wie ein Kind, dem beim Ratespiel endlich die richtige Antwort einfällt. Sie nahm das Glas ihrer Mutter und schnupperte daran. „Natürlich.“
„Nur eine Kleinigkeit, um es mir leichter zu machen.“ Kathleen O’Dell winkte ab, eine Geste, die Maggie wie eine Absolution für Alkoholiker vorkam.
„Um es dir leichter zu machen? Was denn? Musst du es dir leichter machen, einen verdammten Besuch deiner Tochter zu überstehen?“
„Einen Überraschungsbesuch. Du hättest wirklich vorher anrufen sollen, Maggiemaus. Und bitte fluche nicht.“ Und auch dieser übertrieben betuliche Ton zerrte an Maggies Nerven. „Warum bist du hier?“ fragte ihre Mutter. „Willst du mich kontrollieren?“
Maggie versuchte sich zu beruhigen und auf ihr Anliegen zu konzentrieren. Ja, warum, war sie eigentlich gekommen? Sie wischte sich mit einer Hand übers Gesicht,
Weitere Kostenlose Bücher