Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
niemandem eingestand. Irgendwo gab es eine blutende Wunde, die sie nicht stillen, sondern nur verbergen konnte.
Sie kannte sich aus mit den Symptomen der unvermeidlichen psychischen Narben von Kindern, die mit einem alkoholkranken Elternteil aufwuchsen. Ihnen fehlte oft das Urvertrauen, da Glück für sie so flüchtig war wie die Versprechen der Eltern, die gemacht, aber gleich wieder gebrochen wurden. Das Kind lernte nicht zu vertrauen, weil seine Welt jederzeit aus den Fugen geraten konnte. Und dann die Lügen. Allmächtiger, wurde da gelogen, wie ihre Mutter soeben bewiesen hatte. Natürlich hatte sie gelogen.
Maggie nippte an ihrem Scotch und beobachtete, wie das Mondlicht im Garten die Schatten zum Leben erweckte, während weitere Erinnerungen auftauchten.
Wie die Mutter so die Tochter.
Nein, sie war nicht wie ihre Mutter. Kein Stück.
In diesem Moment begann das Handy in ihrer Jackentasche zu piepsen. Erst da fiel ihr ein, dass sie das normale Telefon ausgestöpselt hatte, falls ihre Mutter den Drang verspüren sollte, sie anzurufen. Maggie reckte sich, um die Jacke von einem nahen Ständer zu nehmen, ohne Harvey zu stören, der bei geöffneten Augen den Kopf schwer auf ihrem Schoß liegen ließ.
„Maggie O’Dell.“
„Maggie, hier ist Julia Racine. Tut mir Leid, Sie so spät zu stören.“
Maggie schloss die Augen und atmete tief durch. Racine war die Letzte, mit der sie jetzt reden wollte.
„Ich muss mit Ihnen sprechen“, sagte die ungewöhnlich kleinlaut. „Haben Sie ein paar Minuten? Ich habe Sie doch nicht geweckt, oder?“
„Nein, ist schon okay.“ Sie tätschelte Harvey, der die Augen wieder schloss. „Ich habe es noch nicht bis ins Bett geschafft, vor allem weil der riesige Kopf meines Hundes auf meinem Schoß liegt.“
„Glücklicher Bursche.“
„Mein Gott, Racine!“
„Entschuldigung.“
„Wenn diese Unterhaltung darauf hinausläuft...“
„Nein, wirklich nicht, tut mir Leid.“ Racine zögerte, als hätte sie zu dem Thema noch mehr zu sagen, fuhr dann aber fort: „Der Chief hat das Messer auf mich geschliffen. Senator Brier will mich wegen der Fotos, die Garrison an den Enquirer verkauft hat, offiziell tadeln lassen.“
„Die Sache beruhigt sich bestimmt wieder, sobald wir wissen, wer für den Tod seiner Tochter verantwortlich ist.“
„Ich wünschte, es wäre so einfach“, erwiderte Racine, und diesmal klang etwas anderes in ihrer Stimme an als Zorn oder Frustration, eher ein wenig Angst. „Chief Henderson ist ernsthaft auf der Palme. Ich verliere vielleicht meine Dienstmarke.“
Maggie wusste nicht, was sie sagen sollte. So wenig sie Racine mochte und so sehr sie oft ihre Kompetenz in Frage stellte, eine solche Bestrafung wäre zu hart.
„Um alles noch schlimmer zu machen, hat mich dieses Arschloch Garrison angerufen.“ Jetzt war sie wieder ganz die Alte und auf Hundert. „Er sagte, er wolle mir einige Fotos zeigen, die mir in dem Fall weiterhelfen.“
„Warum will er uns plötzlich helfen?“
Schweigen. Maggie ahnte, dass etwas für Garrison dabei rausspringen sollte. Aber was?
„Er will eine Gegenleistung von mir“, gestand Racine hörbar verlegen.
„Zum Beispiel? Tut mir Leid, Racine, aber so leicht kommen Sie mir nicht davon. Was will er von Ihnen?“
„Fotos.“
„Was will er denn für Fotos von Ihnen?“
„Nun, er will bestimmte pikante Fotos von mir machen!“ erklärte Racine voller Zorn.
„Mein Gott!“ Maggie konnte es nicht glauben. Kein Wunder, dass Racine so genervt war. „Und warum glaubt er, Sie würden darauf eingehen?“
„Tun Sie nicht so, O’Dell. Sie wissen ganz genau, warum er das glaubt.“
Dann stimmten die Gerüchte also. Dass Racine Gegenleistungen erbrachte, war nicht bloß bösartiges Gequatsche.
„Ist ihm klar, dass wir ihn bereits wegen Behinderung polizeilicher Ermittlungen belangen können?“
„Das habe ich ihm gesagt.“
„Und?“
„Er hat gelacht.“
„Dann tun wir es doch.“
„Soll das ein Witz sein?“
„Nein. Ich rede mit Cunningham, Sie reden mit Chief Henderson. Holen wir uns den Kerl.“
„Ich stecke schon genug in Schwierigkeiten, O’Dell, wenn Garrison nur blufft...“
„Wenn Garrison so arrogant ist, wie ich glaube, und wenn er etwas für uns hat, werden wir ihn überzeugen, dass es in seinem Interesse liegt, uns die Bilder freiwillig zu geben.“
„Und wie wollen wir ihn überzeugen?“
„Ich rede mit Cunningham, Sie sprechen mit Henderson, und dann informieren Sie
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