Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
eine weißgesichtige Marionette. Sie wies deutlich schlimmere Prellungen auf als das Brier-Mädchen. Ein Auge war schwarz, und eine Prellung sah nach einem linken Haken zum Kinn aus. Ihr Kopf war zur linken Seite geneigt und zeigte drei oder vier Streifen von Würgemalen. Ohne ein weiteres Wort beugte Kubat sich hinunter und schaltete den Scheinwerfer aus. Zuerst war Tully nicht klar, wozu das gut sein sollte, doch dann sah er es. Die Streifen am Hals der jungen Frau leuchteten in der Dunkelheit.
„Was ist das denn?“
„Richtig beschissen unheimlich, was?“ sagte Kubat und schaltete das Licht wieder ein. „Gab’s so was an Ihrer Leiche auch?“
„Wir fanden irgendein Glitzerzeug am Hals. Mir war nicht klar, dass es in der Dunkelheit leuchtet.“
„O hallo, da ist Doc Samuel“, sagte Detective Kubat und winkte der großen, distinguiert wirkenden Frau in Trenchcoat und schwarzen Gummistiefeletten zu. Sie schien die Einzige zu sein, die vorbereitet war. „Doc, das hier ist der FBI-Typ, J.R.Scully.“
„Eigentlich R.J.Tully.“
„Wirklich? Sind Sie sicher?“ Kubat sah ihn an, als hätte Tully seinen eigenen Namen verwechselt. „Ich dachte, das ist derselbe Name wie von der Akte X-Tussi. Heißt die nicht Scully?“
„Ich weiß nicht.“
„Klar doch, die heißt Scully.“
„Agent Tully“, grüßte Dr. Samuel, Detective Kubat ignorierend, und gab ihm die Hand. „Man sagte mir, Sie wüssten vielleicht einiges über den Killer.“
„Möglicherweise. Es sieht nach demselben Täter aus, mit dem wir es schon zu tun hatten.“
„Demnach könnte der Ausweis des Opfers in ihrem Hals stecken?“
,,’tschuldigung, Doc“, warf Kubat ein, „aber wenn’s stimmt, kommen wir schneller mit der Ermittlung voran.“
„Solange wir etwas herausholen können, ohne andere Beweisspuren dabei zu zerstören“, erwiderte die Gerichtsmedizinerin streng in schulmeisterlichem Ton. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, Ihre Zigarette zu löschen, Detective?
„Nee, natürlich nicht, Doc.“ Er drückte den Stummel an einem Baumstamm aus, kniff die Asche ab und steckte sich den unbenutzten Rest hinters Ohr.
Dr. Samuel fand einen trockenen Stein, der groß genug war, dass sie ihren Koffer darauf abstellen konnte. Sie holte Latexhandschuhe, Pinzette und Plastikbeutel heraus und reichte Tully ein Paar Handschuhe.
„Helfen Sie mir? Ich brauche vielleicht ein zweites Paar Hände.“
Er nahm die Handschuhe und verdrängte das mulmige Gefühl in der Magengegend. Diesen Teil seiner Arbeit verabscheute er. In solchen Momenten vermisste er die Zeit, als er in seinem Büro Analysen auf Grund von Fotos und digital gescannten Bildern vorgenommen hatte. Warum hatte er bloß sein Handy nicht abgeschaltet? Nach der Spaghettiwickel-Lektion hatte er es ernsthaft erwogen, sich dann aber geschämt, überhaupt an so etwas zu denken.
Trotzdem hätte er es vermutlich abgestellt, wenn er sich nicht dauernd wegen Emmas Reise nach Cleveland Sorgen machen würde. Dabei hatte sie angerufen und ihm mitgeteilt, dass sie am frühen Nachmittag sicher bei ihrer Mutter in Cleveland angekommen war. Warum machte er sich dann immer noch Sorgen?
Dr. Samuel war bereit. Er folgte ihren Anweisungen, prüfte sorgfältig, wohin er sich kniete, und vermied es, ihr das Licht zu nehmen. Er bemühte sich, den leichten Verwesungsgeruch zu ignorieren und nicht auf die Augen der Frau zu achten, die ihn anzustarren schienen. Summende Fliegen sammelten sich bereits, obwohl es eine kühle Nacht war. Sie waren offenbar so etwas wie die Insektenversion von Geiern. Die verdammten Biester rochen den Tod und ließen sich innerhalb von Stunden, manchmal Minuten häuslich nieder.
Kubat trat beiseite und übergab Tully seine Taschenlampe. „Vielleicht brauchen Sie die, wenn Sie ihr in den Mund leuchten.“
Die Gerichtsmedizinerin zog mit der Pinzette vorsichtig das Klebeband vom Mund und tat es in einen Beweisbeutel. Sie musste die Finger benutzen, den Mund zu öffnen. Dann nickte sie Tully zu, er solle hineinleuchten, und er hielt die Stablampe entsprechend.
„Warten Sie mal“, sagte er. „Hat sich da was bewegt?“
Die Gerichtsmedizinerin beugte sich mit leicht geneigtem Kopf vor, um besser sehen zu können, während Tully leuchtete. Ruckartig wich sie zurück. „Großer Gott!“ Sie sprang auf. „Holen Sie ein paar Beutel, Detective!“
Tully blieb verblüfft und reglos an seinem Platz, hielt die Lampe und lauschte Kubat und Dr. Samuel, die umherliefen und
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