Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
dem Weg zur Tür.
„Nicht genau. Irgendwas wegen eines alten Polizeiberichtes und einer möglichen DNA-Probe.“
Maggie schüttelte den Kopf, sie hatte keine Zeit. Außerdem ging es vielleicht um einen anderen Fall. „Ich rufe ihn von unterwegs an.“
„Warten Sie eine Minute“, hielt Racine sie auf. „Wohin wollen Sie so eilig?“
„Ich muss versuchen, einer eigensinnigen Frau Vernunft einzureden.“
60. KAPITEL
Gwen glitt auf den Fenstersitz, während Tully ihr Gepäck in die Ablage über ihren Köpfen schob. Auf der Taxifahrt zum Logan International Airport hatten sie das beklemmende Schweigen mit Artigkeiten über das Wetter und Details der Tatorte gefüllt. Bisher hatten sie es vermieden, über die letzte Nacht und das, was Nick Morrellis Anruf unterbrochen hatte, zu reden. Gwen ertappte sich bei dem Gedanken, dass es das Beste wäre, so zu tun, als wäre nichts geschehen. Dann wurde ihr bewusst, wie dumm dieser Gedanke gerade für eine Psychologin war. Na ja, es gelang ihr eben nicht, selbst zu beherzigen, was sie predigte.
Tully setzte sich neben sie, hantierte mit dem Gurt und beobachtete, wie die anderen Passagiere das Flugzeug betraten. Offenbar würde die Maschine nicht ganz voll werden. Da niemand auf dem Sitz am Gang Platz nahm, hatten sie noch mehr Gelegenheit, miteinander zu reden. Na, wunderbar!
Tully hatte erwähnt, dass er erst im Morgengrauen ins Hotel zurückgekehrt war. Wenn sie Glück hatte, musste er Schlaf nachholen. Sie wollte jedenfalls nicht über gestern Abend sprechen.
Natürlich war es nichts Ungewöhnliches, dass zwei Menschen, die gemeinsam eine Krise überstanden hatten, sich entgegen sonstiger Gewohnheit zueinander hingezogen fühlten. Das und nichts anderes war mit ihnen geschehen. Und den gestrigen Angriff auf ihr Leben konnte man nun wahrhaftig als Krise bezeichnen.
Die Flugbegleiter begannen mit den Vorbereitungen und Notfallerklärungen, und Tully lauschte gebannt, als wäre ihm das alles neu. Ein sicheres Zeichen, dass auch ihm unbehaglich war. Gwen bedauerte, kein Taschenbuch im Flughafen gekauft zu haben. Wie die Dinge lagen, würde der einstündige Flug quälend lang werden.
Sobald sie in der Luft waren, holte Tully seine Aktentasche unter dem Sitz hervor und öffnete sie. Mit ihr auf dem Schoß schien er sich wohler zu fühlen - ein Schutzschild, das besagte: Dies ist alles rein geschäftlich.
„Ich habe mit O’Dell gesprochen“, erklärte er, sah einen Wust Papiere durch und schob Schreibstifte, Tagesplaner und ein paar Büroklammern beiseite.
Gwen fragte sich sofort, ob er den Tagesplaner überhaupt benutzte. Was Maggie wohl dachte, wenn sie erfuhr, dass sie gestern Abend ihre goldene Regel gebrochen hatte, sich nie mit einem Mann einzulassen, mit dem sie arbeitete. Aber es war ja nichts geschehen. Sie hatten keine Zeit gehabt, „sich einzulassen“.
Tully holte einige Tatortfotos heraus und deutete auf Ähnlichkeiten. „O’Dell erzählte, Garrison, der Fotograf, der die Tatortfotos an den Enquirer verkauft hat, hat Fotos von Everetts Jungen gemacht, als sie gestern im Boston Common Frauen überfallen haben.“
„Soll das ein Witz sein? Gestern?“ Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit. „Wieso war der Fotograf gestern in Boston?“
„Angeblich hörte er zufällig etwas über einen Initiationsritus, als er die Fotos von der Gebetsversammlung machte. O’Dell sagte, die Tote hier in Boston sei eine der überfallenen Frauen, und es müsste leicht sein, die Jungen zu identifizieren. Etliche von denen sind auch auf Fotos mit Everett bei der Gebetsversammlung zu sehen. Da haben wir die Verbindung.“
„Irgendwie klingt mir das zu einfach. Falls Everetts Jungen etwas mit dem Mord zu tun haben, warum erlaubt Everett dann, dass sie fotografiert werden?“
„Vielleicht wusste er nichts davon?“
„Wie ist es Maggie gelungen, die Fotos von Garrison zu bekommen?“
Tully schüttelte den Kopf, und Gwen entdeckte ein schwaches Lächeln. „Da bin ich mir nicht sicher, und ich will es auch gar nicht wissen.“
Gwen lachte. „Wie ich sehe, kennen Sie meine beste Freundin schon ziemlich gut.“
„Sagen wir einfach, sie ist eher bereit als ich, sich über das korrekte Verfahren hinwegzusetzen.“
„Sie sind der Typ, der sich an die Regeln hält?“
„Ja, ich versuche es. Gibt es daran etwas auszusetzen?“
„Das habe ich nicht gesagt.“
Er sah sie an, als erwarte er weitere Erklärungen, und fügte hinzu: „Das klang, als wollten Sie ein
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