Magic Cottage
Stachel heraus. Der Bereich um das winzige Loch schwoll bereits hellrot an, und ich suchte den Boden nach dem Missetäter ab. Die zerquetschte Biene lag zwei, drei Schritte entfernt, und ich stellte mir ihr Todesröcheln eher als rachsüchtiges Kichern vor.
Ich stand wieder auf, beugte mich vor, schälte die flachgetretene pelzige Erhebung vom Boden ab und brachte sie (hinkend) zusammen mit ihrer letzten Waffe ins Badezimmer, um sie im Klo hinunterzuspülen (jedoch nicht, ohne vorher auf den schwimmenden Kadaver zu pinkeln — meine ganz persönliche kleine Rache). Wieder im Schlafzimmer, untersuchte ich den Riß in der Wand - der neue Verputz, mit dem das Ganze ausgebessert und überzogen worden war, hatte sich in zwei schartige, gezahnte Ränder geteilt. Es war nur eine winzige Trennlinie, aber ein Riß ist ein Riß.
Soviel also zu O'Malleys Handwerkskunst.
Ich holte mir den Morgenmantel, verließ das Schlafzimmer und machte mich auf die Suche nach Midge. Sie war unten; sie saß auf der Türschwelle, die Beine hochgezogen, das Kinn auf den Knien, und betrachtete die Blumen im Garten. Wieder bemerkte ich nicht gleich, was fehl am Platze war — beziehungsweise, in diesem Fall, was überhaupt nicht am Platze war.
Ich beugte mich zu ihr hinab und küßte ihren Hals. Sie reagierte kaum. Als ich mich neben ihr niederließ, rückte sie ein wenig zur Seite.
Obgleich wir hier auf der schattigen Seite des Hauses waren, wußte ich, daß die Sonne strahlend hell am Himmel stand, so, wie sie mit den leuchtenden Farben des Gartens spielte. Und
über uns hatte der Himmel die Farbe ausgebleichter Denim-Jeans angenommen, ein verwaschenes Blau, die zarten Wolkenstreifen waren in weiter Ferne. Aber hier, im Schatten, war die Luft kühl.
»Wie fühlst du dich heute, Kobold?« fragte ich bewußt leichthin, es war ein Test; natürlich. Ich legte ihr eine Hand auf den Oberarm.
Ihr Reaktion war geringfügig. »Mächtig durcheinander.« Das war alles, was sie sagte.
»Yeah, ich auch. Aber nicht durcheinander genug, daß ich in Mycroft und seiner gruseligen kleinen Sekte nicht das sehe, was sie sind.« Ihre Stimme klang matt. »Lassen wir das, Mike.«
Ich blieb verständnisvoll. »Ich glaube nicht, daß wir uns das so einfach machen dürfen. Du bist zu sehr in sie vernarrt, und das macht mir angst.«
Sie zuckte mit den Schultern, eine kleine Bewegung, fast ein Zurückzucken.
»Midge, hast du darüber nachgedacht, was ich dir gestern nacht gesagt habe?«
Sie sah mich noch immer nicht an. »Du hast so viel gesagt«, erwiderte sie. »Kannst du dich überhaupt noch an alles erinnern?« Jetzt wandte sie mir ihr Gesicht doch zu.
Momentan konnte ich es nicht. Sie hatte recht: ich hatte soviel gesagt — zuviel. Das Ganze war ein riesiger Wirrwarr in meinem Kopf, weniger durcheinandergewürfelt als vielmehr durch- einandergerührt. Erst viel später sollten sich diese Gedanken (oder Wahrnehmungen?) allesamt wieder klären. Mein Kopf tat weh, und auf meiner Zunge hätte man einen Lackmus-Test machen können; ich fragte mich, wie ich von dem einen Glas Wein gestern abend einen Kater haben konnte. Dann merkte ich, was im Garten draußen fehlte.
»Was ist mit unseren Freunden passiert? Normalerweise sind um die Zeit immer noch ein paar Futtereintreiber da.«
»Die Vögel sind heute nicht gekommen«, antwortete Midge tonlos.
Ich runzelte die Stirn. »Vielleicht hat man ihnen woanders ein besseres Menü aufgetischt«, meinte ich lahm — und weigerte mich zu glauben, daß diese plötzliche Änderung ihrer Gewohnheit irgendeine Bedeutung hatte (was mir allerdings gewaltig schwerfiel). »Aber Rumbo war doch wenigstens da, oder?« Ich sagte es hoffnungsvoll.
Sie schüttelte den Kopf. »Bis jetzt noch nicht.«
Das beunruhigte mich wirklich. Wenn dieser gierige kleine Kerl nicht auftauchte, dann mußte wahrhaftig etwas nicht stimmen. Bobs Äußerung am Telefon fiel mir ein: »Schlechte Vibra-tions.«
Midge richtete sich auf, und meine Hand fiel von ihrem Arm ab wie ein überflüssig gewordenes Zubehör-Teil. »Ich muß mich anziehen und einkaufen gehen«, sagte sie steif und wandte sich bereits ab, noch bevor ich auf den Füßen war.
»Hey, warte.« Ich ergriff sie wieder beim Arm und zog sie an mich. »Erinnerst du dich: Wir sind verschworene Verschwörer. Nicht nur Geliebte und Geliebter, sondern verdammt gute Freunde, die besten, die jeder von uns jemals haben wird. Verschließ dich nicht vor mir, Midge, egal, wie schlecht du von mir
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