Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
einen einfachen Menschen, der in eurem Land Asyl bekam.«
In diesem Moment legte die Frau in einer sanften Geste die Hand auf Cashimaés Oberschenkel und berührte sie. Es war, als entrisse sie der Magierin den Boden und den Halt ihres Geistes. Schmerz, mitternächtliche Schwärze und Leere fegten die Reste ihres rationalen Denkens hinfort und machten dem Instinkt des eigenen Überlebens Platz, ohne zu verstehen, dass die Gefahr nur aus einem Trugbild des Unverstehens bestand.
Cashimaé begriff nicht, was hier passierte. Doch eines begann sie zu verstehen: Was auch immer sie angriff, dieses Gefühl ging von dieser Frau aus. Von diesem Ding, das es wagte sie zu berühren. Sie wollte sie verletzen, diese Finger schlossen sich um ihren Oberschenkel wie kleine Geschwüre. Krochen an ihr entlang und fraßen sich in ihr Fleisch. Es wollte Besitz von ihr ergriffen.
Cashimaés Haltung veränderte sich rabiat. Sie zog die Schultern zurück und beugte sich hinab, in einer Bewegung, die an eine Schlange erinnerte und nichts mehr von einem verängstigten Mädchen besaß. Ihre Augen fixierten das fremde Ding an ihrem Bein.
»Geh weg!«, zischte sie.
»Aber Herrin…«
Die gefräßigen Monster in ihr entfachten einen Schmerz, den sie in dieser Gewalt nicht kannte. Sie kniff die Augen zu kleinen Schlitzen zusammen. Die Pein umnebelte ihren Geist und vermischte sich mit leisen Stimmen, die in ihr sprachen. Als Cashimaé die Bettlerin wieder ansah, sperrte diese den Mund wie zu einem Schrei auf, doch kein Laut drang über ihre Lippen. Ihre Pupillen weiteten sich. Wie Weintrauben, die man zwischen Daumen und Zeigefinger zusammen presste.
Cashimaé beugte sich tiefer, das Gesicht zu einer Maske aus Eis erstarrt, und der Eindruck eines Reptils verstärkte sich noch mehr. Blitzschnell packte sie die Frau beim Handgelenk, sodass diese keine Möglichkeit mehr besaß, zurückzuweichen. Sie näherte sich ihrem Gesicht. Die Augen Cashimaés leuchteten in einem intensiven Gelb. Ihre Nase sog die Gerüche der Welt in sich auf und den Geruch des Menschen, der sich nun in ihrer Gewalt befand. In einer Intention aus Düften und Gefühlen schlossen sich die Augen und es erschien ein Zug um die Mundwinkel, der etwas von einem Lächeln in sich trug, doch die Gefährlichkeit des Raubtieres, das mit seiner Beute spielte, war nicht mehr zu leugnen. »Wer bist du, dass du es wagst, mich zu berühren«, zischten die Worte über die Lippen der Magierin. »Wer bist du, dass du es wagst, mich anzugreifen, mit einem Geist, der so leer ist, dass sogar ein Isgrin dagegen noch machtvoll erscheint? Wer bist du, dass du es wagst, meinen Weg mit deiner Anwesenheit zu beschmutzen?« Es waren keine Fragen, es war ein Ausspucken von Tatsachen, dass sogar Barshim, der stillschweigend beobachtete, zusammenzuckte.
Die Frau versuchte, sich loszureißen, doch der Griff löste sich nicht. »Herrin, ich wollte doch nur… ich wollte nicht. NEIN!« Sie brach ab und riss die Augen auf. Rote Adern wurden darin sichtbar.
Ein düsteres Lächeln umspielte die Lippen der jungen Magierin. Etwas Süßes nahm von ihr Besitz, das ihre Angst überdeckte und mit kleinen Tentakeln einfing. Es machte die Dunkelheit in ihr schön. Nur am Rande nahm sie die Reaktionen um sich herum wahr.
*
Tamin, der plötzlich den Kopf hob und sich umdrehte. Shorbo, der vom Rücken des Pferdes rutschte und auf sie zu stolperte und etwas brüllte. Filyma, die ihn zurück zog.
Konnte sie Panik sehen? Aber warum? Es war doch alles gut. Keine Qualen mehr.
Tamin wendete seinen Hengst und trat dem Tier in die Flanken. «Barshim, greif ein! Bei allen Höllen, halt sie auf!« Die Worte fegten durch Cashimaé hindurch, unwichtig sie zu verstehen.
Doch Barshim lächelte und drängte sein Pferd auf die andere Seite seiner Geliebten. Er legte eine Hand auf ihre Schulter, ließ jedoch Tamin nicht aus den Augen. »Cashim, Breda, löse deinen Geist von ihr!«, sprach er beschwörend auf Cashimaé ein.
Auch Shorbo hatte den Ernst der Lage erkannt und versuchte, seinen Schützling im Geiste zu erreichen, doch Cashimaé schien so sehr auf diese Frau fixiert zu sein, dass sie es nicht bemerkte. In ihrer gepeinigten Welt, in der sie zwischen Ekstase und Angst wandelte, gab es keinen Platz für andere Gedanken.
Tamin flog auf dem Pferd heran, sprang aus dem Sattel und wusste, er durfte keine Zeit verlieren. Über die Arme der Frau zogen sich blaurote Adern, die sich weiter ausbreiteten. Der Magier kam von hinten
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