Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
blind, doch zielstrebig den eigenen Weg findend –
Das waren ihre wirklichen Gedanken, im totalen Kontrast zu dem kleinen Kind, das dort mit im Stoff ihres Kleides vergrabenen Händen stand.
»Darf ich etwas alleine sein?«
Tamins Nicken war aufrichtig. Er umfasste sanft die Priesterin und zog das aufgelöste Bündel mit zur Treppe. »Nimm dir so viel wie du brauchst, Breda.«
- Mir wird gleich schlecht -
, sprach es in Cashimaé.
Als die beiden endlich weg waren, ließ sie sich mit weit ausgebreiteten Armen rückwärts aufs Bett fallen.
*
In den nächsten Tagen bemühte sich Tamin, freundlich und zuvorkommend zu sein. Half bei den Arbeiten, obwohl das die beiden Frauen nicht wollten. Er war dafür viel zu schusselig und machte ständig etwas kaputt.
Cashimaé bekam neue Bücher zum Lesen. Fast alle bezogen sich auf die Aufgaben des Kreises, die Geschichte der Länder, den Grenzen und Regeln. Sie spielte die demütige Schülerin. Oh ja, an jenem Tag hatte sie gelernt, was Demut ist, doch sie empfand es gegenüber dem Wasser und nicht gegenüber Tamin.
Mineshka sprach zwar mit ihr, doch die meiste Zeit gingen sie sich aus dem Weg. Noch immer lebte die Priesterin in Trauer und Cashimaé spürte die Antipathie gegen sich, obwohl die Priesterin genau wusste, dass sie nichts mit dem Tod ihres Sohnes zu tun gehabt hatte.
Drei Tage später erreichte ein Reiter das Haus und rief Tamin schnellstmöglich zu einem Treffen des Kreises. Er berichtete vom Dahinscheiden des Kreisführers. Die Bestürzung auf allen Seiten war nicht gespielt.
Cashimaé brach in Tränen aus und schloss sich auf dem Dachboden ein. In Wirklichkeit begriff ihr Herz noch gar nicht, was geschehen war. Zur sehr wuchs die Mauer um sie herum stetig weiter und verhinderte, dass die Gefühle nicht überschwappten und dort blieben, wo sie sie nicht verletzen konnten. Sie hatte mittlerweile gelernt, Gefühle nur vorzugaukeln und ganz vergessen, was wirkliches Empfinden war.
Tamin wies mehrfach darauf hin, wie sehr er ihr inzwischen vertraute und dass sie reden würden, sobald er zurückgekehrt war. Mineshka musste er mit aller Gewalt zwingen, mit zu kommen. Da es ein Treffen des großen Kreises war, blieb ihr nichts anderes übrig.
Cashimaé schwor ihm zu warten und treu die Bücher zu lesen. Sie winkte den Reisenden von der Tür aus nach und beobachtete wie sie im Schnee verschwanden, der mittlerweile hoch das Land bedeckte.
- Lernen, die Bücher lesen…-
Sobald die beiden fort waren, kam das Hexenbuch wieder zum Vorschein und sie studierte erneut die reparierten Seiten. Mochte Barshim noch so oft gesagt haben, sie solle hier warten. Nein, das konnte er nicht wirklich wollen. Schließlich tat auch er nie, was man ihm sagte. Cashimaé war sicher, dass er eine starke Frau an seiner Seite erwartete und kein dummes Kind, das immer auf die Befehle anderer hörte. Sie nahm sich fest vor, spätestens einen Monat vor Ablauf der Zeit von hier zu verschwinden.
Es lief nicht wesentlich besser als beim letzten Mal. Zwar zeigte das Ritual nach etlichen Versuchen eine erste Wirkung, aber sie bestand darin, dass nicht ihr Umfeld in einen Tiefschlaf versetzt wurde, sondern sie selber.
Nach weiterem Schneefall musste das Pentagramm neu gezeichnet werden, was viel Zeit in Anspruch nahm. Wofür, fragte sie sich, wusste sie jetzt, was Demut war, wenn es die Situation nicht veränderte? Alles schien sich gegen sie verschworen zu haben und am Ende hatte sie die Nase voll.
»Wenn man euch braucht, seid ihr nicht da!«, brüllte sie mit geballter Faust auf den See hinaus.
»Wen schreist du an?«, lautete die Antwort.
Cashimaé blieb das Herz stehen. Sie wirbelte herum beim Klang der vertrauten Stimme. Hinter ihr stand die Priesterin.
»Was machst du hier?«, fragte Cashimaé erschrocken.
Mineshka wanderte um den Kreis herum und zog dabei die Handschuhe aus. Ihre Augen betrachteten die mit Asche gezeichneten Markierungen. »Haben wir es mit Hexerei versucht? Wie süß!« Es klang gehässig und schadenfroh.
Cashimaé rannte zu dem Buch und hob es auf. Hastig wickelte sie das Band darum, das die zerfledderten Seiten zusammenhielt. »Im Gegensatz zu dir laufe ich vor meinen Problemen wenigstens nicht davon.«
Die Priesterin kreuzte die Arme vor der Brust. »Besser umkehren, als kostbare Energien für einen Firlefanz zu vergeuden, der von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Da du sonst so schlau bist, solltest du es ja selbst am besten wissen.«
»Kümmere
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