Magie
Weg durch dunkle Flure und stiegen zuerst ein Stockwerk, dann ein zweites in einen Keller hinab. Die Luft war feucht und schwer von Gerüchen, die stetig unangenehmer wurden, bis sie sich schließlich als der Gestank von Exkrementen, Schweiß und Moder offenbarten. Die Türen, an denen sie vorbeikamen, waren nicht länger aus Holz, sondern eiserne Gitter, die den Blick auf Männer und Frauen verschiedener Altersstufen freigaben, einige bekleidet nach Sklavenmanier, andere in feinen, aber besudelten Gewändern.
Werden sie uns hier einsperren , fragte Hanara sich. Er hatte vergeblich versucht, nicht über die Zukunft nachzugrübeln, hatte sich aber nur allzu oft dabei ertappt, dass er überlegte, ob er hingerichtet werden würde, sobald sie ihr Ziel erreichten. Wenn sie mich töten wollten, hätten sie das gewiss bereits
getan. Also mussten sie zuvor noch irgendetwas von ihm wollen. Oder vielleicht würde er in den Besitz eines neuen Herrn übergehen. Er hatte darüber nachgedacht, ob er in diesem Fall versuchen sollte, zu fliehen und Takado zu finden. Vielleicht würde er es tun, wenn er nur herausfinden konnte, wo Takado war.
Es wird nicht so sein wie in Mandryn , dachte er. Keine Chance auf Freiheit, die mich in Versuchung führen kann. Mein Platz ist bei Takado. Er lächelte, als Stolz in ihm aufstieg und das Gefühl langen Lebens.
Endlich blieben sie in einem großen Raum stehen und wurden gezwungen, sich mit dem Gesicht nach unten vor einem weiteren, ziemlich fetten Sklaven hohen Ranges auf den Boden zu legen.
»Wer sind die?«, knurrte der Mann.
»Die Sklaven der Ichani-Rebellen.«
»Welcher von ihnen ist Takados Sklave?«
»Dieser hier.«
»Er soll befragt werden. Bring ihn nach oben. Die anderen sollen in die Wartezellen gebracht werden.«
Als Hanara wieder auf die Füße gezerrt wurde, sah er, dass Asaras und Dachidos Sklaven durch eine Tür geführt wurden. Sie blickten nicht zurück. Er selbst wurde durch dieselbe Tür geleitet, durch die er hereingekommen war.
Dann stiegen sie hinauf und immer weiter hinauf. In jedem Stockwerk roch die Luft süßer als im vorangegangenen, und die Wände waren weißer. Dieser Umstand ließ die Faust der Furcht in seinem Bauch nur umso größer werden. Das Klirren seiner Ketten klang lauter, je stiller die Flure wurden.
Am oberen Ende einer weiteren Treppe erschien ein muskulöser Sklave, um ihnen den Weg zu versperren.
»Wer?«, fragte der Mann.
»Takados Sklave.«
Der Mann sah Hanara mit schmalen Augen an. »Folge mir.«
Obwohl Hanara ein Gefühl der Erleichterung und der Freiheit verspürte, als der erste Sklave seinen Arm losließ und der
zweite keine Anstalten machte, ihn festzuhalten, wusste er, dass dies eine Illusion war. Sollte er versuchen wegzulaufen, würde man ihn einfangen und schlagen. Also ging er gehorsam hinter diesem neuen Sklaven her. Die Flure hier waren geschmückt mit Schnitzereien und Wandbehängen, und an manchen Stellen waren die Wände selbst mit Fresken bemalt.
Sie machten vor einer geschnitzten Holztür Halt. Der Sklave klopfte leise an. Als die Tür einen Spaltbreit geöffnet wurde, konnte Hanara einen Blick auf ein Gesicht und ein Auge werfen.
»Takados Sklave«, murmelte sein neuer Führer.
Die Tür wurde geschlossen, und sie warteten. Hanara betrachtete den Wandschmuck und versuchte, seine Atmung und seinen Herzschlag zu beruhigen. Als die Tür sich abermals öffnete, zuckte er zusammen, und all die Ruhe, die er gewonnen hatte, löste sich in nichts auf. Er wurde in den Raum gestoßen.
»Aha. Du bist der Sklave des Ichani Takado«, hallte eine Stimme ihm entgegen.
Der Mann, der gesprochen hatte, saß auf einem der vielen Bänke, die im Raum verteilt standen. Sein kurzer Umhang glitzerte von Gold und Juwelen, die zu den kunstvoll gearbeiteten Möbeln im Raum passten. Hanara warf sich zu Boden.
Der Kaiser! Er muss der Kaiser sein! , dachte Hanara. Er wagte es nicht zu antworten. Die Worte des Mannes hatten wie eine Feststellung geklungen, nicht wie eine Frage.
»Steh auf«, befahl der Mann.
Widerstrebend, aber so langsam, dass er den Kaiser erzürnte, erhob Hanara sich auf die Füße. Den Blick hielt er auf den Boden gerichtet.
»Komm her.«
Er zwang seine Beine, sich zu bewegen, war jedoch bereit, jeden Augenblick auf der Stelle zu erstarren. Der Befehl kam nicht, und kurz darauf stand er bloße zwei oder drei Schritte vor dem sitzenden Herrscher. Er wagte es nicht aufzublicken, weil er die Konsequenzen fürchtete,
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