Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
erwiderte McKellen mit einem Nicken. »Aber im Grunde ist es einerlei, welcher Natur dieses Fortbewegungsmittel ist. Wichtig ist nur, dass der neue Erste Lordmagier damit aufgebrochen ist. Das Ziel kann nur die Wahre Quelle der Magie sein – die im Übrigen auch der Grund für meine Reise nach London war.«
»Ah, hervorragend, vielleicht möchten Sie uns ein wenig mehr darüber erzählen«, sagte Cutler. Mit erwartungsvollem Blick hob er seine Teetasse und trank einen kleinen Schluck.
McKellen lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Sofern es in diesem Augenblick zweckdienlich ist, will ich das gerne tun. Meinen Namen kennen Sie bereits, und woher ich komme, habe ich auch schon gesagt. Vor beinahe einer Woche verspürte ich eine starke Erschütterung der magischen Sphäre, von der wir heute wissen, dass sie durch das Auftauchen der Wahren Quelle der Magie hervorgerufen wurde. Ich …« Er zögerte kurz und schien nach den richtigen Worten zu suchen. »… bin recht bewandert in der Geschichte der Magie, insbesondere in alten Sagen und Legenden. Daher war mir der Mythos der Quelle, obschon im Bewusstsein gewöhnlicher Magier schon seit Jahrhunderten ohne Bedeutung, bekannt, und ich fürchtete, jemand könnte sie gefunden und ihr Siegel gebrochen haben. Um darüber Gewissheit zu verschaffen, brach ich nach London auf, in der Hoffnung, dort auf meinen alten Freund Albert Dunholm zu treffen. Auch wenn wir uns jahrelang nicht gesehen hatten, wusste ich, dass er zum Ersten Lordmagier eines großen Magierordens aufgestiegen war, und ich nahm an, dass er Zugriff auf ein wahres Archiv des Wissens haben würde. Mit seiner Hilfe hoffte ich, meine Ahnungen entweder bestätigen oder, besser noch, entkräften zu können. Leider kam ich, wie ich hörte, zu spät, um Albert noch lebend anzutreffen. Aber meine Fragen über die Quelle wurden dennoch beantwortet … bedauerlicherweise habe ich mich nicht geirrt.«
»Ich habe Wellington die Gefolgschaft verweigert, weil er ein kranker Irrer ist. Außerdem hielt ihn Mister Drummond für den Feind – und Drummond hat sich nie getäuscht«, meldete sich Reynolds zu Wort. »Aber was es mit dieser ganzen Quellgeschichte auf sich hat, ist mir nach wie vor nicht ganz klar. Habe ich das richtig verstanden: Die Wahre Quelle der Magie ist so etwas wie eine Magiequelle, nur verflucht groß?«
»Das trifft es ungefähr«, bestätigte McKellen. »Die Wahre Quelle der Magie ist alt, genau genommen uralt. Niemand weiß, wie und warum sie zum ersten Mal aufgebrochen ist. Manche glauben, dass ein Großteil der noch heute wirkenden Magie einst durch die Quelle in unsere Welt Eingang fand. Vor einigen Tausend Jahren, so heißt es, trat ein Bund von Gelehrten zusammen, um die Quelle zu versiegeln, denn sie hofften, dass dadurch all die sogenannten Götter und Dämonen, die Engel und Titanen und Naturgeister, die bis dahin die Erde bevölkert hatten, verschwinden würden. Sie hofften, der Mensch würde sich endlich von ihnen lossagen können und selbst zur Krone der Schöpfung werden. Sie reisten zu der Quelle, besiegten ihre Diener …«
»Das müssen diese Fischmenschen gewesen sein«, brummte Boyd.
»… und mit einem machtvollen Ritual versiegelten sie diese und geboten dadurch dem steten Fluss an Magie in unsere Wirklichkeit Einhalt.« McKellen hielt kurz inne und nickte gedankenverloren. »Ihr Plan ging auf. Die Magie zog sich mehr und mehr aus unserer Welt zurück, bis sie das geringe Maß erreicht hatte, das wir heute kennen. Doch durch das Handeln Wellingtons hat sich alles geändert. Wenn nichts unternommen wird, kehrt die Magie mit nie gekannter Macht zurück. Schon jetzt spüren wir erste Auswirkungen. Tote die zum Leben erwachen …« Er deutete auf den Minialligator in Jonathans Arm. »Pflanzenkobolde in den Highlands. Magische Stürme über Mittelengland. Dabei ist das alles nur ein winziger Teil des gesamten Unheils. Ich vermag mir nicht auszumalen, welche Folgen die Macht der Magie bereits in anderen Ländern der Erde hatte. Und es wird immer schlimmer werden, mit jeder Woche und jedem Monat, den die Quelle ungehindert ihre chaotischen Energien in unsere Welt schleudert. Europa, Afrika und Amerika dürfte es am stärksten treffen, denn diese Kontinente liegen der Quelle am nächsten. Asien wird etwas später die Auswirkungen spüren. Gebieten wir dem Unheil keinen Einhalt, wird früher oder später die ganze Erde von Magie überrollt, und wir werden in ein finsteres Zeitalter
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