Magierdämmerung 02 - Gegen die Zeit
hatten, war Randolph zum Old Man’s geeilt, jenem Pub, das nur ausgewählten Gästen offen stand und in das er Jonathan bei ihrem Kennenlernen vor wenigen Tagen mitgenommen hatte. In knappen Sätzen hatte er den Betreiber Old Man davon überzeugt, dass die Lage schlimm sei und er eine Leiche und einen in magischem Schlaf Liegenden verstecken müsse. Danach hatte Grigori die Pferde des Ordens dazu ermuntert, mit ihrer Kutsche einen Ausflug quer durch London zu unternehmen, um ihre magischen Spuren zu verwischen, und schließlich waren die beiden Männer und die Geisterkatze mit dem Fuhrwerk hierhergekommen.
»Kann es losgehen?«, fragte Randolph seinen hünenhaften Mitstreiter und ihre im Augenblick unsichtbare Verbündete.
Der Russe nickte mit grimmiger Miene. Jederzeit , vernahmen sie Watsons Stimme in ihrem Geist. Ich warte nur auf meinen Einsatz.
Geduld , Watson , ermahnte Randolph sie.
Die Männer stiegen von der Kutsche.
»Pass kurz auf unsere Fracht auf. Ich kümmere mich um den Portier«, sagte Randolph.
Brummend gab Grigori sein Einverständnis.
Die rechte Hand in der Manteltasche vergraben, erklomm Dunholms ehemaliger Diener die drei Steinstufen zu der Eingangstür des Gebäudes. Ein Emailleschild an der Mauer informierte Besucher darüber, dass die London Historical and Cultural Society hier einige Räumlichkeiten unterhielt. Natürlich handelte es sich dabei nur um einen Deckmantel. In Wirklichkeit befand sich im Keller des Hauses, das vollständig im Besitz des Silbernen Kreises war, der Osteingang zur Unteren Guildhall, einem der zwei außerhalb des eigentlichen Geländes der Guildhall liegenden Hauptzugangswege zum Hauptquartier des Ordens.
Randolph betrat das Haus und gelangte in ein geräumiges Treppenhaus. An der rechten Wand führte eine breite Treppe in den ersten Stock, links daneben verlief ein schmaler, hoher Gang, an dessen Ende sich eine weiße Tür befand, die einem weiteren Schild zufolge zu den Geschäftsräumen der Society führte.
Der Kutscher hielt sich nicht damit auf anzuklopfen. Stattdessen zog er seinen Webley-Revolver aus der Tasche, riss die Tür auf und stürmte in den dahinterliegenden Raum, einen Empfangsbereich, von dem links und rechts zwei Flure abgingen, durch die man zu den Büros gelangte. Normalerweise gab es hier zwar keine Wachen, sondern nur ein als Sekretär der Society abgestelltes Ordensmitglied, das neugierige Besucher abwimmelte und zugleich als Portier des geheimen Eingangs in die Guildhall diente, aber nach Wellingtons Putsch hätte das auch anders aussehen können. Zu Randolphs Erleichterung schien der neue Erste Lordmagier bislang keine Notwendigkeit gesehen zu haben, von der bestehenden Vorgehensweise abzuweichen. Außer einem jungen bebrillten Mann Anfang zwanzig hielt sich niemand in dem nüchtern eingerichteten Raum auf, der überzeugend den Eindruck erweckte, einer unbedeutenden Akademikervereinigung zu gehören.
»Mister Brown, was machen Sie denn hier?«, rief der junge Magier und sprang von seinem Platz hinter dem Empfangstresen auf. Ob es schlichte Überraschung oder tatsächliche Furcht war, die sich auf seinem Gesicht abzeichnete, vermochte Randolph nicht zu sagen. Es war ihm aber auch egal. Gleich jedenfalls würde dem Knaben das Herz in die Hose rutschen!
Mit einer schnellen Bewegung schleuderte der Kutscher ein Fadenbündel über den Tresen und zog den Jungen daran halb über das Möbelstück hinweg. Gleichzeitig hob er die Hand mit dem Revolver und hielt seinem erschrocken aufkeuchenden Gegenüber den kalten Lauf direkt unter die Nase. »Keinen Mucks, mein Freund, oder ich muss dich leider erschießen«, knurrte er drohend.
Die Entschlossenheit in Randolphs Stimme ließ das Blut aus dem Gesicht des jungen Magiers entweichen wie Wasser aus einem Eimer ohne Boden. Er wurde bleich wie die Wand in seinem Rücken, während er langsam die Hände hob. »Was hat das zu bedeuten, Sir?«, wagte er immerhin zu fragen.
»Das soll nicht deine Sorge sein«, erklärte Randolph. »Du wirst einfach dort drüben in den Schrank spazieren und dich nicht rühren, bis ich dich wieder herauslasse. Sehe ich dein käsiges Gesicht auch nur einen Augenblick früher, wirst du genauso lange Zeit haben, es zu bereuen, wie ich benötige, diesen Abzug durchzuziehen.« Er drehte die Waffe zur Seite, um dem Burschen zu zeigen, wie beunruhigend kurz die Strecke zwischen Abzug und Griff war.
»Ich … ich habe verstanden«, stammelte dieser. »Es gibt keinen Grund,
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