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Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Magierdämmerung 03 - In den Abgrund

Titel: Magierdämmerung 03 - In den Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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umgeben. Die Ärzte sagten, sie sei geistig krank. Man vermutete eine Erbschwäche, denn bereits einige ihrer Vorfahren hatten unter derlei Gebrechen gelitten, am schlimmsten ihr Ur-Ur-Urgroßvater König Georg III ., der jahrzehntelang wieder und wieder schubweise dem Wahn anheimgefallen und am Ende im Alter von einundachtzig Jahren geistig vollständig umnachtet gestorben war. Feodora Victoria Auguste Marie Marianne, Prinzessin von Sachsen-Meiningen und Urenkelin Queen Victorias, hasste die Quacksalber noch immer für diese Einschätzung. Außerdem glaubte sie ihnen nicht. Ja, irgendetwas stimmte nicht mit ihr – und das schon seit ihrer Kindheit – , aber verrückt war sie nicht!
    Sie vermochte gar nicht mehr zu sagen, wann es angefangen hatte. Schon als kleines Mädchen hatte sie gelegentlich seltsame Halluzinationen gehabt; dazu war sie von Schwindel und Kopfschmerzen geplagt worden. Weil es bei Hofe jedoch nicht als schicklich galt, sich zu beklagen, und ihre Eltern, Herzog Bernhard III . von Sachsen-Meiningen und Prinzessin Charlotte von Preußen, ohnehin wenig Interesse an ihrem Befinden zeigten, hatte Feodora den Schmerz und die Verwirrung in sich hineingefressen – sehr zum Leidwesen ihrer Erzieher und Hauslehrer, denen sie es selten leicht gemacht hatte. Aber wer konnte sich auch auf die Worte eines näselnden Hofschulmeisters konzentrieren, wenn dessen toupierte Haarpracht derweil in gelb züngelnden Flammen stand?
    Die siebzehnjährige junge Frau erinnerte sich noch lebhaft an jene Tage. Sie hatte weite Teile ihrer Kindheit und Jugend auf Schloss Friedrichshof bei ihrer Großmutter Kaiserin Victoria verbracht, und in Momenten wie diesen hätte sie am liebsten die halbe Dienerschaft zusammengeschrien. Doch da ihr ohnehin niemand geglaubt hätte, wenn sie erzählte, dass die Haare des Hofschulmeisters brannten, hatte sie geschwiegen und sich nur noch weiter vor den Menschen, denen sie nicht traute und die sie für krank hielten, zurückgezogen.
    Eine weitere Lanze aus Schmerz stach ihr genau zwischen den Augen in den Schädel. Feodora verzog das Gesicht und presste sich die Hände an die Schläfen. Ihre Anfälle waren im Laufe der Jahre heftiger geworden, doch so schlimm wie in den letzten Tagen hatte sie es noch nie erlebt. Seit sie nach London gereist war, um an den Feierlichkeiten anlässlich des Kronjubiläums ihrer Ur-Urgroßmutter Queen Victoria teilzunehmen, verspürte sie eine innere Unruhe, begleitet von schubartig auftretenden Schmerzen und Wahnbildern, die einem schier den Verstand rauben konnten. Aber ich bin nicht verrückt! Das alles hat eine Bedeutung!
    Zu diesem Schluss war sie in den letzten drei Jahren, in denen sie ihr unregelmäßig auftretendes Leiden genauer unter die Lupe genommen hatte, gekommen. Denn im Gegensatz zu Doktor Meinhardt, einem ergrauten Leibarzt, den ihre Großmutter ihr zur Seite gestellt hatte und der nicht viel mehr tat, als ihre Schmerzen mit Morphium zu behandeln und das Fortschreiten ihres Zustandes hilflos zu beobachten, hatte Feodora es sich zur Aufgabe gemacht, das Rätsel ihres Lebens zu lüften.
    Heimlich hatte sie begonnen, über die Zwischenfälle Buch zu führen. Dabei hatte sie versucht, Gemeinsamkeiten zu entdecken. Eindeutig wiederkehrend waren die gelblich glitzernden Funken, die züngelnden Flammen um Menschen und Tiere, und gelegentlich hatte sich sogar die ganze Welt in ein flirrendes Glitzern und Wimmeln aufgelöst. In diesen erschreckenden Momenten hatte sie meist die Augen zugepresst, und kurz darauf war alles wieder vorbei gewesen.
    Zwei weitere Dinge waren ihr obendrein aufgefallen, und es waren gerade diese, die Feodora daran zweifeln ließen, einfach nur schwachsinnig zu sein wie einige ihrer Vorfahren. Zum einen hatte sie bemerkt, dass ihr Körper innerlich leuchtete, wann immer sie diese Anfälle hatte. Zunächst war es ihr nur an ihren Händen aufgefallen. Doch dann hatte sie sich, als der Schmerz, das Zittern und das Funkeln vor den Augen in einer drückend schwülen Sommernacht vor zwei Jahren wiedergekehrt waren, aus dem Bett gequält, das Nachthemd vom Leib gerissen und sich im großen Spiegel betrachtet, der in ihren Gemächern stand. Ihr ganzer Körper hatte geleuchtet, als glühe er in einem überirdischen Fieber. Der Anblick hatte sie mit Schrecken und Ehrfurcht zugleich erfüllt.
    Zum zweiten waren da diese seltsamen Begebenheiten, die zu gehäuft gemeinsam mit den Anfällen auftraten, um nicht in irgendeinem Zusammenhang

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