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Magische Insel

Titel: Magische Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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sehen, wie sie hinausging, doch dann hielt ich den Kopf gesenkt. Sie würde meine Besorgtheit nur gegen mich verwenden.
    Als ich allein in dem Warteraum war, setzte ich mich unter das Bild der Frau in Schwarz. Warum machte ich mir überhaupt Sorgen um Tamra? Krystal brauchte mich viel dringender als Tamra, oder? Tamra schien niemanden zu brauchen, höchstens um ihn zu beleidigen oder sich als etwas Besseres zu fühlen. Darin war sie hervorragend, da sie tatsächlich besser als alle anderen war – sowohl mit dem Verstand als auch körperlich. Aber warum musste sie das ständig beweisen?
    »Lerris.« Talryns Stimme war ruhig. Er lächelte nicht.
    Ich holte tief Luft und stand auf. Hätte ich doch nur meinen Stab bei mir gehabt. Alles war gepackt und wartete in dem Zimmer, das den langen Sommer über mein Heim gewesen war.
    Talryn hielt mir die Tür auf. Dann schloss er sie. Ich stand neben dem Tisch, an dem wir so viele Achttage lang gegessen hatten.
    »Setz dich, Lerris.« Talryn nahm den Stuhl am Kopfende des langen Tisches.
    Ich zog einen der schweren Eichenstühle hervor. Diesmal bewegte er sich leicht. Ich schwieg und wartete, dass Talryn mir das sagte, was er zu sagen hatte, da es offensichtlich keine Rolle spielte, was ich dachte.
    »Du könntest ein Problem sein, Lerris. Du erwartest ständig, dass dir jemand die Antworten serviert. Das Leben ist aber nicht so. Auch nicht die Gefahrenbrigade. Weil du Antworten und Gründe verlangst, will niemand dir diese geben.«
    Ich bemühte mich, nicht zu seufzen. Noch ein Vortrag, den ich nicht brauchte.
    »Auch ich nicht. Wir haben darüber gesprochen. Vielleicht glaubst du mir jetzt nicht, aber versuch zumindest, dich daran zu erinnern, was ich dir jetzt sagen werde. Vielleicht rettet es dir das Leben.«
    Ich lächelte beinahe über diese melodramatischen Worte, hörte aber zu. Schaden konnte es ja nicht.
    Talryn wartete.
    Schließlich nickte ich.
    »Erstens: Du bist ein potentieller Ordnungs-Meister. Du hast die Talente, ein Chaos-Meister zu sein, aber nicht die Veranlagung. Du verachtest die Menschen nicht genug – und wirst es nie tun. Wenn du dem Pfad des Chaos folgst, wirst du in Candar jung sterben, wenn es dich nicht gleich nach der Ankunft das Leben kostet.
    Zweitens: Du bist so stark, dass viele Chaos-Meister versuchen werden, dich auf ihre Seite zu ziehen. Drittens: Du sträubst dich gegen die Einsicht, dass jeder Meister seine Bedeutung im Leben selbst finden muss.« Talryn seufzte. Der Meister in Silber seufzte tatsächlich. »Zum Schluss muss ich zugeben, dass wir dich ungerecht behandeln.«
    »Das gebt Ihr zu?« sagte ich verblüfft.
    »Ja, wir geben es zu.«
    »Aber warum tut Ihr es dann? Das verstehe ich nicht.«
    »Weil deine Zweifel und deine unverhohlene Skepsis jeden durcheinander bringen, der viel Zeit mit dir verbringt. Gewöhnlich arbeiten zwei Meister mit jeder Brigadiergruppe. Manchmal nur einer.«
    Talryn, Trehonna, Gilberto, Cassius und Lennett – ganz zu schweigen von gelegentlichen Auftritten anderer. Das ergab fünf Meister, dazu noch Lehrlinge wie Demorsal.
    »Vier oder fünf waren nötig, um dich zu dämpfen, und wir alle müssen deshalb im nächsten Jahr viel mehr arbeiten, um die Zeit wieder aufzuholen.«
    »Warum?«
    Wieder seufzte Talryn. »Du hast ein großes Potential, Lerris, für Ordnung, nicht für Chaos. Wie du es benutzt, liegt allein bei dir. Diese Wahl ist nicht einfach. Überhaupt nicht einfach.«
    Ich öffnete den Mund.
    Talryn hob die Hand. »Lass es mich erklären. Der Grund, warum du dich der Ordnung oder dem Chaos zuwendest, hat keinerlei Bedeutung. Wenn du einen Baum zerstörst, um mit dem Holz ein frierendes Kind durch ein Feuer zu wärmen, hast du dich trotzdem dem Chaos hingegeben. Ebenso gibst du dich der Ordnung hin, wenn du einen Mörder heilst.«
    »Was?« Ich konnte nicht glauben, was Talryn sagte.
    »Deshalb ist es so schwierig, mit der Ordnung umzugehen. Selbst wenn du beste Absichten hast, aber Chaos für einen guten Zweck benutzt, führt das zu noch größerer Unordnung.«
    Ich vermochte ihm immer noch nicht zu glauben. »Ich darf nicht einmal einen Baum fällen, um ein Kind zu retten?«
    Talryn lächelte traurig. »Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass du keine Chaos-Kräfte benutzen sollst. Du kannst ein Beil oder ein Schwert benutzen, um Äste abzuschneiden. Wo körperliche Gewalt nicht das menschliche Leben in Mitleidenschaft zieht, wirkt sie sich auch nicht auf Ordnung oder Chaos

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