Magisches Spiel
grauenhafte Gefühl, nach unten gezogen zu werden, zu keuchen, verzweifelt nach Luft zu schnappen und stattdessen die schmutzige, ölige, dicke Brühe einzusaugen, die jeden Winkel ihres Bewusstseins ausfüllte. Sie versank, sie ging unter, und sie würde es nicht schaffen, wieder nach oben zu kommen. Es passierte zu schnell; der Mörder war zu kräftig.
Sie fühlte einen warmen Mund, der sich auf ihren Lippen bewegte. Fühle mich, Kleines, ich bin bei dir. Warmer Atem drängte sich in ihre Lunge. Sie atmete ein und tief aus, um einen Teil der dicken Schmiere, die ihr Inneres erfüllte, wieder auszustoßen. Der nächste Atemzug. Er kann dich nicht haben. Ich werde für uns beide atmen.
Sie konnte es schaffen! Sie erschauerte vor Anstrengung, während sie sich darauf konzentrierte, an dieser ersten Woge gewalttätiger Energien vorbeizukommen, die ihren Verstand zu verschlingen drohten. Schlange konnte sie nicht haben, weil sie ihren eigenen, ganz persönlichen Schutzengel hatte. Kaden Montague war der stärkste Mann, den sie je gekannt hatte. Und er war auf
ihrer Seite – und nicht nur auf ihrer Seite, sondern auch an ihrer Seite.
Sie fand ihn in ihrem Innern, und ein winziger Teil von ihr hielt sich an ihm fest, während sie zuließ, dass die vertraute Bewusstseinserweiterung ihren eigenen Geist verdrängte, um der Bestie Platz zu machen, die in sie strömte und sie zu verschlingen drohte.
Er war begierig darauf, zu töten. Er konnte es kaum erwarten. Er wollte, dass sie ihm lebend in die Hände fielen und möglichst lange durchhielten, während er ihnen Schmerzen zufügte. Die Orte, an denen er gewesen war und wo er festgestellt hatte, dass man seine Gaben zu würdigen wusste, gab es schon lange nicht mehr, aber jetzt konnte er wieder seinen Spaß haben. Diese tolle Gelegenheit rief die Erinnerungen an den Tunnel in Vietnam wach, in dem ihm zwei Bauern in die Falle gegangen waren. Sie hatten zwei ganze Tage durchgehalten. Ein grandioser Spaß. Beide lallten, als er ihnen den Rest gab – und beinah hätte er es nicht getan. Die Versuchung, ihre blutigen, gemarterten Körper dort liegen zu lassen, damit die Ratten sie fanden, war groß gewesen, doch er hatte ihr nicht nachgegeben, und seitdem hatte er immer wieder daran gedacht. Vielleicht aber diesmal – und er würde dort, wo keiner sie finden konnte, eine Kamera aufbauen, damit er später zurückkehren und sich ansehen konnte, wie sie bei lebendigem Leibe gefressen wurden. Ein Riesenspaß. Das Flehen setzte ein und wurde lauter, obwohl Tansy versuchte, die Opfer noch etwas länger von sich fernzuhalten.
Sie musste Schlange entkommen und nach dem anderen Ausschau halten, dem Puppenspieler, der die Fäden in der Hand hielt. Sie alle waren schlagkräftige Mörder
und doch nur Marionetten. Er zog an ihren Fäden, und sie tanzten. Das männliche Raunen wurde kräftiger. Sie fand den Strang, schwach, aber doch deutlich wahrnehmbar. Der Puppenspieler. Jetzt hatte sie ihn. Sie war eine Fährtenleserin der Spitzenklasse, und er würde ihr nicht entkommen, ganz gleich, wie subtil er vorging. Sie verdrängte den öligen Schlick, den Schlange um sie herum ausgoss, und blieb auf der Fährte. Das war es, was sich ihr entzogen hatte. Er. Hochstimmung erfüllte sie, als sie der Spur folgte.
Sie nahm seine selbstgefällige Belustigung wahr. Niemand würde es je erfahren. Er hatte Genies um sich geschart. Sie alle besaßen übernatürliche Gaben, aber sie hatten keinen Verdacht geschöpft. Sie ahnten von nichts. Sie waren sein Orchester, es war seine Inszenierung. Er war der Maestro, der die Mitwirkenden so dirigierte, dass sie ihre Instrumente bravourös spielten. Er gab ihnen Selbstbestätigung und scheffelte die Kohle. Millionen. Und da ließen sich noch viele weitere Millionen rausholen. Millionen, deren Herkunft sich nicht zurückverfolgen ließ. Und alle ganz allein für ihn.
Tansy hatte Mühe, den Faden nicht zu verlieren. Er war so schwach und so subtil neben Schlanges glühendem Wunsch, Leid zuzufügen. Die Stimmen der Opfer wurden lauter, wie sonst auch immer; sie verlangten, dass sie sie zur Kenntnis nahm und ihnen zu ihrem Recht verhalf. Sie wollten von ihr gesehen und gerächt werden. Sie schüttelte den Kopf, weil sie die Klagen und die Anschuldigungen nicht hören wollte. Die ölige Brühe blubberte vor Freude, die Stimme des Mörders schwoll an. Ah, gib mir einfach nur die ganze Nacht mit diesen dreien. Sie sind nicht so kräftig wie die im Tunnel,
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