Magnus Jonson 01 - Fluch
späten Nachmittag sein Hotel nicht verlassen hat. Keiner der Hotelangestellten erinnert sich daran, dass er im Hotel Besuch bekam.«
»Es hätte ja jemand direkt hoch zu seinem Zimmer gehen können, ohne an der Rezeption nachzufragen.«
Baldur hob nur die Augenbrauen.
»Erzähl mir nicht, dass du ihn freilassen willst!«, sagte Magnus.
»Noch nicht. Ich schließe ihn auch noch nicht als Verdächtigen aus. Aber wir müssen die Ermittlung breiter anlegen. Müssen uns auch mit den Umständen des wirklichen Lebens befassen.« Baldur zählte sie an den Fingern ab: »Agnar traf sich in der Woche vor seinem Tod mit seiner aktuellen Geliebten und mit einer ehemaligen Freundin. Seine Frau war äußerst sauer wegen seiner Untreue. Er hatte große Geldprobleme. Er nahm Drogen. Vielleicht hatte er Schulden, von denen wir nichts wissen? Schuldete einem DealerGeld? An dem Abend war noch jemand anders da, und wir müssen herausbekommen, wer es war.«
»Aber es kann doch kein Zufall sein, dass er dieses Geschäft mit Jubb und Isildur aushandelte«, warf Magnus ein.
»Nein?«, gab Baldur zurück. »Hör zu, wir sollten diese Saga-Sache nicht vollständig ausschließen. Wenn du willst, kannst du dich darauf konzentrieren. Aber es gibt zig andere Aspekte, die sich die Mannschaft vornehmen muss.«
»Wenn ich nach Kalifornien fliegen würde, könnte ich Isildur mit Sicherheit dazu bringen ...«
»Nein«, unterbrach Baldur ihn barsch.
Im Wald des nordkalifornischen Trinity County, mehrere Zeitzonen westlich, war es früher Morgen. Isildur schaute aus seinem Arbeitszimmer über das kleine Tal zum Wasserfall, der von dem kahlen Felsen direkt gegenüber stürzte. Das Sonnenlicht glitzerte in den Tautropfen. Im Garten standen die lebensgroßen Figuren von Gandalf, Legolas und Elrond, Bronzeskulpturen, die Isildur für viel Geld bei einem Künstler in San Francisco in Auftrag gegeben hatte.
Es war ein herrliches Fleckchen Erde. Isildur hatte es mit einem Bruchteil des Geldes gekauft, das er im Vorjahr für den Verkauf seiner Anteile an 4Portal bekommen hatte. Er war auf der Suche gewesen nach einem Zufluchtsort im Wald, um sich auf seine Projekte zu konzentrieren, und hatte hier den perfekten Ort gefunden. Hohe Berge auf drei Seiten und eine schmale gewundene Straße, die durch den Wald zu der nächsten Kleinstadt in fünfzehn Kilometer Entfernung führte.
Hier konnte er in Ruhe nachdenken.
Nach dem Zufluchtsort, an dem sich die Gemeinschaft des Rings aufhält, hatte er dem Haus natürlich den Namen »Bruchtal« gegeben. Er wusste noch gut, wann er das erste Mal von Bruchtal gelesen hatte; damals war er siebzehn gewesen und hatte ein klaresBild dieses Orts vor Augen gehabt, inmitten von Wäldern, Bergen, fließendem Wasser, Frieden, Ruhe.
Das war es.
Isildur hatte an zwei Projekten gearbeitet. Das eine hatte den Großteil seiner Zeit in Anspruch genommen, es war der Versuch, den Aufbau eines Online-Wörterbuchs von zwei Elbensprachen Tolkiens zu koordinieren, Quenya und Sindarin. Das Projekt hatte sich als deutlich frustrierender erwiesen, als er vermutet hatte. Tolkien hatte nirgends maßgebliche Grammatikregeln oder ein Vokabular festgelegt, sodass es viele unterschiedliche Interpretationen der beiden Sprachen gab. Isildur wusste das: Das Besondere an seinem Wörterbuch war, dass es flexibel genug für die verschiedenen Dialekte sein sollte, die sich mit der Zeit entwickelt hatten. Dumm war nur, dass seine Mitarbeiter nicht dieselbe flexible Einstellung hatten.
Unter gegenseitigen Beschimpfungen war das Projekt gestorben. Isildur hatte gehofft, als Geldgeber das letzte Wort zu haben. Doch es stellte sich heraus, dass er in gegenteiliger Hinsicht einigend wirkte: Die anderen verbündeten sich in ihrem Hass auf ihn.
Sein zweites Projekt war, Gauks Saga ausfindig zu machen. Vor Jahren war er über ein Internetforum erstmals auf sie aufmerksam geworden. Er hatte einen dänischen Akademiker aufgetrieben, der einen Hinweis auf die verschollene Saga in einem von ihm gefundenen Brief aus dem achtzehnten Jahrhundert entdeckt hatte, und ihn mit Gimli bekannt gemacht, einem Engländer, dessen Großvater bei Tolkien an der Universität von Leeds studiert hatte. Alle Hinweise waren frustrierend vage, aber Isildur zeigte sich bereit, viel Geld auf den Tisch zu legen, um Genaueres zu erfahren.
Das alles koordinierte er von seinem Computer im Arbeitszimmer in Bruchtal aus.
Er war noch nie im Ausland gewesen. Isildur war in New Jersey
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