Magyria 01 - Das Herz des Schattens
ist es! Vermutlich kann Réka alles aus ihm herausholen, was sie will. Er wird davon ausgehen, dass sie es sowieso vergisst.«
»Was auch geschehen wird«, sagte Hanna trocken.
»Nein.« Mattim war so aufgeregt, dass er aufstand und durch die Küche marschierte. So war er durch sein Zimmer gewandert, während Mirita auf dem Sofa saß und mit den Troddeln spielte. Diesmal saß Hanna am Tisch und
sah ihm zu. Es war so ähnlich und dennoch ganz anders. Keine Freunde, die Pläne schmiedeten. Nicht einer, der in blindem Vertrauen über alles redete, und eine, die sich als Spitzelin seiner Eltern entpuppte. Sondern zwei, die so zusammengehörten wie nichts sonst, zwei, die sogar siegen konnten, zwei, die alles erreichen würden, was sie sich vornahmen. Er verspürte eine solche Kraft und Hoffnung in sich, dass er Hanna vom Stuhl hochriss und sie stürmisch küsste. Viel leidenschaftlicher, als Mirita ihn geküsst hatte.
»Mattim, das ist …«
»Sie wird es nicht vergessen. Wir werden die beiden beobachten. Und bevor Kunun sie beißen kann, werden wir dazwischengehen. Ich werde eingreifen und dafür sorgen, dass er es nicht tun kann. Und dann …«
»Mattim!« Hanna schlängelte sich aus seiner Umarmung. »Nein, hör mir zu. Wenn Kunun das merkt … Du weißt nicht, was er dann tun wird. Wenn er das Gefühl hat, dass sie ihn ausspioniert. Hinderst du ihn obendrein daran, sie zu beißen und ihr die Erinnerung zu nehmen, wird er ihr auflauern und es später tun - und ihr noch viel mehr nehmen, vielleicht sogar mehrere Stunden. Réka sieht schon elend genug aus.«
Erneut wirkte Hanna, als wollte sie gleich auf ihn losstürmen, um - ja, um was? Ihn zu schlagen?
»Ich habe nicht vor, deiner Réka irgendetwas zu tun«, sagte er beschwichtigend. »Du benimmst dich ja, als wollte ich sie umbringen!«
»Umbringen«, sagte Hanna. »Oder verletzen. Ihr wehtun. Nicht du. Aber Kunun könnte es tun. Versprich mir, Mattim, dass wir Réka außen vor lassen.«
Wir. Sie hatte wir gesagt. Eben noch war sie sauer gewesen, aber da war es wieder, dieses wundervolle Wir.
»Ich werde zu Atschorek gehen«, sagte er. »Wenn irgendjemand weiß, wie es mit der Pforte anfing, dann sie.«
»Ich komme mit.«
Hanna spülte ihre Tasse aus und trocknete sich die Hände ab.
»Musst du nicht hierbleiben? Wegen der Kinder?«
Er konnte sehen, wie sie mit sich rang. »Eigentlich ja. Aber wenn die Eltern nach Hause kommen, vielleicht dann?«
»Du willst mit mir zu einer bösen Vampirfrau, die mir die Haut abziehen wird, sobald sie merkt, worauf ich aus bin, und dafür deinen Schlaf opfern?«
Hanna grinste nur. »Wenn du sie nach der Pforte fragst, könnte sie das tatsächlich falsch auffassen. Wenn jedoch ich, ein armer, kleiner Mensch, sich danach erkundigt, wie die Vampire eigentlich hier nach Budapest gekommen sind, antwortet sie mir vielleicht sogar.«
Ihre Augen leuchteten. Sie war so süß, so unwiderstehlich. Mattim wollte die Hände ausstrecken und sie berühren. Er wollte sie an sich ziehen und mit sich nehmen, egal, wohin. Doch dann hörte er das Motorengeräusch des großen Wagens, den die Szigethys fuhren, auf der Auffahrt.
»Da sind sie schon. So früh!«
»Bestimmt haben sie sich gestritten«, sagte Mattim, der daran dachte, was Réka ihm erzählt hatte. »Das tun Liebende manchmal.«
»Was mache ich denn jetzt mit dir? Du musst dich verstecken! Nur wo? Sie kommen schon zur Haustür hoch!«
»Kein Problem«, sagte Mattim.
Als Mónika mit einem freundlichen »Na, bist du noch wach?« in die Küche kam, saß nur Hanna am Küchentisch. Der Prinz warf noch einen kurzen Blick durch die Fensterscheibe. Nein, verängstigt wirkte Hanna nicht, obwohl sie eben mit angesehen hatte, wie er durch die Wand verschwunden war. Ein wenig überrascht wirkte sie, und das Lächeln, mit dem sie Mónika begrüßte, war zum Dahinschmelzen, zugleich heiter und geheimnisvoll.
SIEBENUNDZWANZIG
BUDAPEST, UNGARN
Hanna horchte an der Tür. Aus dem Wohnzimmer drangen immer noch Stimmen. Gingen ihre Gasteltern denn nie schlafen? Bestimmt wartete Mattim schon auf sie. Sie schaute ins Treppenhaus hinunter und setzte schon den Fuß auf die oberste Stufe, als Ferenc unten auftauchte. Hastig zog sie sich wieder zurück, sie wollte ihm nicht gerade jetzt in die Arme laufen. Durch einen Türspalt beobachtete sie, wie er im Badezimmer und kurze Zeit danach im Schlafzimmer verschwand. Wo blieb nur Mónika? Die Zeit lief. Sie hatte eigentlich nicht vor, sich die
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