Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Szigethy …
Aber ein anderer Teil von ihr, unberührt von Kälte und Angst, arbeitete weiter, entschlüsselte die Botschaft, klopfte an die Tür ihres Bewusstseins, rüttelte daran.
Szigethy vér. Das Blut der Szigethys! Rékas Blut!
Nein! , wollte sie schreien. Nein, nein, nein!
Doch der Schrei blieb ihr in der Kehle stecken.
»Du hast es verstanden«, sagte Kunun leise. »Genauso wie ich es damals verstanden habe, als ich alle Szigethys in dieser Stadt gesucht habe und schließlich Réka fand. Ihr Blut wird mich nach Akink bringen. Ihr Leben. Denn es gibt noch etwas, liebe Hanna, das ich dir sagen muss. Der Donua ist ein mächtiger Fluss, viel mächtiger als diese schmutzige braune Brühe, die sich durch Budapest windet. Blut, freiwillig geopfert, wird es den Schatten erlauben, über das Eis zu gehen. Eine Weile wenigstens wird es uns schützen. Aber ob es reicht? Den ganzen Weg bis ans andere Ufer? Eine ganze Schlacht hindurch, die Stunden dauern mag? Erst wenn ein Leben geopfert wird, entfaltet das Blut eine Kraft, die allem standhalten kann.«
»Nein«, wisperte Hanna. Ihre Gedanken rasten durch ihren Schädel, wie auf der Suche nach einem Ausgang. »Nicht Réka. Bitte nicht Réka!«
Kunun legte ihr beide Hände auf die Schultern, nicht fest, aber bestimmt. »Heute ist der Tag«, sagte er. »Heute gehen wir nach Akink. Fragst du dich, warum ich dir das erzähle? Du wirst Réka nicht warnen. Du bleibst hier. Und du wirst hoffen, dass die Kleine mir alles gibt, worum ich sie bitte. Nie wirst du dir etwas so sehr gewünscht haben. Denn sollte sie zögern, sollte ich auch nur den geringsten Zweifel haben an ihrer Bereitschaft, ihr Leben für mich aufzugeben, werde ich dich nehmen. Und du wirst dich nicht wehren. Du wirst mir geben, wonach ich verlange. Denn wenn du es nicht tust, werde ich Mattim töten.«
Seine Augen waren schwarz. Nichts als seine Dunkelheit konnte sie darin lesen. Keine Freude, kein Bedauern, nicht
einmal Triumph. Er teilte ihr einfach nur das mit, was er entschieden hatte.
»Einer von euch dreien wird heute sterben. Mattims Tod nützt mir nicht das Geringste; daher kann ich nur hoffen, dass du vernünftig sein wirst, schöne Maid. In wenigen Stunden werden wir sehen, wessen Liebe am stärksten ist.«
Liebe. Aus ihrem Gedächtnis tauchten Atschoreks Worte auf und gewannen eine neue Bedeutung. Nur das Gefährliche lohnte sich. Nur deshalb lohnte die Liebe, weil sie so angreifbar war. Nur deshalb … Liebe, der Kuss des Todes im Frühling. Ist das nicht das Schönste daran - so ahnungslos zu sein wie ein Vogel im Baum, der singt und nicht weiß, dass der Pfeil bereits abgeschossen wurde, der ihn mitten ins Herz treffen wird?
Niemals hätte sie zulassen dürfen, dass irgendjemand ahnte, wie viel ihr Mattim bedeutete. Niemals hätte sie Kunun diese Waffe in die Hand geben dürfen.
»Mattim hat sich für dich entschieden«, sagte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen, kühlen Klang zu geben. »Du kannst nicht deinen besten Gefolgsmann opfern. Den Bruder, der dir den Sieg bringen wird.«
»Vielleicht wird er mir den Sieg auf genau diese Weise zuschanzen.« Kunun musterte sie mit leisem Spott. »Aber glaub mir, ich weiß, wie ich am besten herausfinde, was sein Treueeid wert ist.«
Er drehte sich zur Wohnungstür um. »Kommt rein. - Freiwilligkeit«, meinte er zu Hanna, und Spott funkelte in seinen Augen, »ist etwas Gewaltiges und Besonderes. Doch manches geht genauso gut ohne.«
Hanna wich zurück, als sie vier Schatten auf sich zukommen sah: zwei junge Männer, einen älteren und eine Frau. »Fesselt sie. Steckt ihr einen Knebel in den Mund; ich will nicht, dass man das Geschrei auf der Straße hört. Übrigens«, der Vampir beugte sich vor und fasste in ihre Jackentasche, »das brauchst du jetzt nicht mehr.«
Er reichte das Handy einem der Vampire. Die anderen drei waren schon an ihrer Seite. Hanna wehrte sich verzweifelt, doch es gelang ihr nur, einem ihrer Bezwinger die Hand zu zerkratzen, bevor er ihr die Arme auf den Rücken drehte.
»Das ist nicht nötig!«, rief sie. »Tu das nicht! Ich werde hier warten. Ich mache alles, was du verlangst!«
Kunun schüttelte nur den Kopf und zauberte aus seiner Manteltasche eine Kordel, die er kurz vor ihren Augen baumeln ließ, bevor er sie der Vampirfrau reichte.
»Das wird halten, glaub mir. Du brauchst dich nicht zu fürchten - nicht allzu sehr jedenfalls. Wenn mit Réka alles glatt läuft, bist du bald wieder frei. Wenn
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