Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mahlstrom

Titel: Mahlstrom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Watts
Vom Netzwerk:
Sonne war eine diffuse, feurige Schliere, die überging in …
    Oh man Gott.
    Sichelförmige Rückenflossen durchschnitten die Brandung in der Nähe des Ufers. Eine graue Schnauze tauchte kurz auf, wie ein Mini-U-Boot mit Zähnen.
    »Die waren schon einmal so gut wie ausgestorben, wussten Sie das?«, fragte Amitav. »Aber sie sind zurückgekehrt. Zumindest hier.«
    Sie holte zittrig Luft. Adrenalin durchströmte ihren Körper. Doch es war zu spät, auch wenn sie im Nachhinein noch weiche Knie bekam. Wie dicht sind sie an mich herangekommen? Wie oft bin ich nur knapp …
    »Ein paar tolle Freunde haben Sie da«, sagte der Flüchtling.
    »Das habe ich nicht …« Aber natürlich war Amitav klar, dass sie es nicht gewusst hatte. Sie drehte sich zum Cycler um und kehrte ihm den Rücken zu.
    »Ich habe gehört, dass Sie immer noch hier sind«, sagte Amitav hinter ihr. »Ich habe es nicht geglaubt.«
    Sie drückte auf einen Knopf an der Oberseite des Cyclers. Ein Proteinblock fiel in den Ausgabetrog. Sie wollte danach greifen und ballte die Hand zur Faust, damit sie aufhörte zu zittern.
    »Ist es das Essen? Vielen hier gefällt es. Besser, als es unter den Umständen eigentlich der Fall sein sollte.«
    Ihre Hand hörte auf zu zittern. Sie nahm den Block.
    »Sie haben Angst«, sagte Amitav.
    Clarke sah zum Ozean hinunter. Die Haie waren verschwunden.
    »Nicht vor denen«, sagte Amitav. »Vor uns.«
    Sie blickte ihn wieder an. »Tatsächlich?«
    Ein Lächeln blitzte in seinem Gesicht auf. »Sie haben nichts zu befürchten, Ms. Clarke. Die werden Ihnen nichts tun.« Er machte eine Geste mit dem dürren Arm, die seine Kameraden einschloss. »Wenn sie das vorgehabt hätten, hätten sie es dann nicht getan, als Sie bewusstlos waren? Hätten sie Ihnen nicht wenigstens die Waffe abgenommen, die Sie da am Bein tragen?«
    Sie berührte das Futteral an ihrer Wade. »Das ist keine Waffe.«
    Er ging nicht weiter darauf ein. Stattdessen blickte er sich mit einem schmallippigen Lächeln um. »Stehen sie etwa kurz vor dem Verhungern? Glauben Sie, sie würden Sie wegen des Fleischs auf Ihren Knochen in Stücke reißen?«
    Clarke kaute und schluckte und blickte sich um. All diese Gesichter. Manche neugierig, andere beinahe … ehrfürchtig. Schaut nur, die Zombiefrau, die mit den Haien schwimmt.
    Kein sichtbares Anzeichen von Hass.
    Das ist vollkommen unmöglich. Sie besitzen nichts. Sie müssen einfach Hass empfinden.
    »Sehen Sie?«, sagte Amitav. »Die sind nicht wie Sie. Sie sind zufrieden. Fügsam.« Er spuckte aus.
    Sie musterte sein knochiges Gesicht, die eingesunkenen Augen. Bemerkte die Glut, die darin loderte, tief in den Augenhöhlen, beinahe verborgen. Sah das spöttische Grinsen hinter dem Lächeln.
    Das war das Gesicht, das sie tausend Mal vervielfältigt in ihren Träumen gesehen hatte.
    »Sie sind auch nicht wie Sie«, sagte sie schließlich.
    Amitav verbeugte sich anerkennend. »Umso schlimmer.«
    Und ein gleißendes Loch öffnete sich in seinem Gesicht.
     
    Erschrocken trat Clarke einen Schritt zurück.
    Das Loch breitete sich über die ganze Küste aus und seine Ränder verströmten Licht. Sie drehte den Kopf, doch das Loch folgte der Bewegung, in der Mitte ihres Blickfeldes verankert.
    »Ms. Clarke …«
    Sie drehte sich nach der Stimme um. Amitavs körperloser Arm war gerade noch innerhalb des Lichthofs der Erscheinung sichtbar. Sie griff danach, packte ihn und zog ihn zu sich heran.
    »Was ist das?«, zischte sie. »Was ist …«
    »Ms. Clarke, geht es Ihnen …«
    Licht, das zusammenfloss. Bilder. Ein Hinterhof. Ein Schlafzimmer.
    Irgendein Schulausflug. In ein Museum, gewaltig und höhlenartig, durch die Augen eines Kindes betrachtet.
    Daran kann ich mich gar nicht erinnern , dachte sie.
    Sie ließ Amitavs Hand los und stolperte einen Schritt rückwärts.
    Die Hand des Hindere wedelte durch das Loch in ihrem Blickfeld. Er schnipste mit den Fingern unter ihrer Nase. »Ms. Clarke …«
    Die Lichter gingen aus. Vollkommen erstarrt stand sie da; ihr Atem ging heftig und flach.
    »Ich glaube … nein«, sagte sie schließlich und entspannte sich ein wenig.
    Amitav. Die Zone. Der Himmel. Keine Erscheinungen.
    »Alles in Ordnung. Es geht mir wieder gut.«
    Der halb verzehrte Nährstoffblock lag von feuchtem Sand überzogen zu ihren Füßen. Benommen hob sie ihn auf. Ist es womöglich etwas im Essen?
    Sie war von einer schweigenden Menge umgeben, die sie beobachtete.
    Amitav beugte sich vor. »Ms. Clarke …«
    »Nichts«,

Weitere Kostenlose Bücher