Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maigret und der Spion

Maigret und der Spion

Titel: Maigret und der Spion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
Vom Netzwerk:
anzufreunden.
    »Natürlich werden Sie alle Bewegungsfreiheit haben.«
    »Keineswegs! Sie müssen im Gegenteil veranlassen, daß man mich den strengsten Haftbedingungen unte r wirft!«
    »Seltsame Methoden habt ihr in Paris!«
    »Eigentlich nicht. Aber wie ich schon sagte, der oder die Täter sollen sich sicher wähnen. Vorausgesetzt, es gibt überhaupt einen Täter … «
    Diesmal schreckte der Kommissar mit dem roten Schnurrbart auf:
    »Was soll das heißen? Sie wollen doch nicht etwa a n deuten, daß sich Graphopulos selbst den Schädel eing e schlagen haben könnte, um sich anschließend in einen Weidenkoffer zu packen und in den Zoo zu befördern?«
    Maigret machte große, unschuldige Augen.
    »Wer weiß?«
    Und während er seine Pfeife stopfte:
    »Es wird Zeit, daß Sie mich ins Gefängnis schaffen lassen. Vorher sollten wir uns allerdings in einigen Pun k ten abstimmen. Notieren Sie doch mal … «
    Er war ganz bieder. In seinem Ton lag sogar eine g e wisse Ergebenheit. Tatsächlich aber übernahm er einfach und unauffällig die Leitung der Ermittlungen.
    »Ich bin bereit … «
     
    1 .  Montag: Graphopulos erbittet den Schutz der Pariser P o lizei;
    2 . Dienstag: Er versucht den mit seiner Bewachung betra u ten Inspektor abzuschütteln;
    3 . Mittwoch: Nachdem er einen Flug nach London gebucht hat, kauft er eine Fahrkarte nach Berlin und steigt in Lü t tich aus;
    4 . Er scheint die Stadt nicht zu kennen und landet im ›Gai-Moulin‹, wo er nichts Besonderes tut;
    5 . Im Augenblick, in dem ich mit der Tänzerin weggehe, sind noch vier Personen im Lokal: Chabot und Delfosse, auf der Kellertreppe versteckt, sodann der Patron und Vi c tor im Saal;
    6 . Bei meiner Rückkehr sind der Patron und Victor im Weggehen begriffen und schließen ab. Chabot und Delfosse sind, nach eigenen Angaben, noch immer drin;
    7 . Die jungen Leute geben an, sie seien eine Viertelstunde nach Schließung des Lokals aus dem Keller gekommen und zu diesem Zeitpunkt sei Graphopulos bereits tot gewesen;
    8 . Wenn das stimmt, kann die Tat begangen worden sein, während ich die Tänzerin begleitete. In diesem Fall wären Génaro und Victor die Täter;
    9 . Wenn es nicht stimmt, können Chabot und Delfosse die Tat in diesem Moment selbst begangen haben;
    10 . Chabot lügt vielleicht, und in diesem Fall gibt es keinen Beweis dafür, daß sich das Drama im ›Gai-Moulin‹ a b spielte;
    11 .   Der Mörder kann die Leiche selbst weggeschafft haben, doch es ist möglich, daß jemand anderes den Transport b e sorgte;
    12 . Am nächsten Tag ist Adèle im Besitz des Zigarettenetuis, aber sie behauptet, sie habe es von Delfosse bekommen;
    13 . Die Aussagen von Génaro, der Tänzerin und Victor stimmen dahin überein, die Behauptungen Jean Chabots zu widerlegen.
     
    Maigret verstummte, nahm ein paar Züge aus seiner Pfeife; sein Kollege sah ihn nachdenklich an.
    »Unerhört! … « murmelte er.
    »Was ist unerhört?«
    »Die Komplexität dieses Falls, sobald man näher hi n sieht.«
    Maigret erhob sich.
    »Gehen wir schlafen! Sind die Betten im Saint-Léonard gut?«
    »Tatsächlich, dort wollen Sie ja hin. «
    »Und übrigens hätte ich recht gern eine Zelle neben der des Burschen. Morgen werde ich Sie zweifellos um eine Gegenüberstellung mit ihm bitten.«
    »Vielleicht hat man bis dahin seinen Freund Delfosse gefaßt. «
    »Das ist nicht weiter wichtig.«
    »Sie ziehen die beiden also endgültig als Täter nicht mehr in Betracht? Der Untersuchungsrichter will von einer Freilassung nichts hören. Übrigens werde ich ihn wohl über Sie informieren müssen. «
    »So spät wie möglich. Was ist denn nebenan los?«
    »Das sind gewiß die Journalisten. Ich muß eine Pre s seerklärung abgeben. Welche Personalien soll ich für Sie anführen?«
    »Keine Personalien! Ich bin ein Unbekannter! Man hat keinerlei Papiere bei mir gefunden … «
    Kommissar Delvigne hatte sein inneres Gleichgewicht noch nicht ganz wiedererlangt. Er fuhr fort, Maigret ve r stohlen zu beobachten, mit einer Beunruhigung, in die sich Bewunderung mischte.
    »Mir ist das alles noch völlig unklar.«
    »Mir auch!«
    »Man könnte meinen, Graphopulos sei bloß nach Lüttich gekommen, um sich umbringen zu lassen. Es ist übrigens höchste Zeit, daß ich seine Familie benachric h tige. Ich werde morgen den griechischen Konsul sehen. «
    Maigret hatte nach seiner Melone gegriffen. Er war bereit zum Gehen.
    »Achten Sie darauf, mich vor den Journalisten nicht zu freundlich zu

Weitere Kostenlose Bücher