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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Freude nicht anmerken zu lassen.
    Mit seiner kräftigen Hand packte er die Lehne eines winzigen vergoldeten Stuhls, stellte ihn einen Meter vor dem Ofen auf seine gebrechlichen Füße und setzte sich rittlings darauf. Lag es daran, daß er seine Pfeife wieder zwischen den Zähnen hatte? Oder weil sein ganzes Wesen nach den Stunden der Niedergeschlagenheit, vielmehr der Unschlüssigkeit, wieder Leben in sich spürte?
    Jedenfalls fühlte er sich in diesem Augenblick stärker denn je. Er war Maigret hoch zwei, wenn man so sagen kann. Ein in alte Eiche oder besser in Stein gehauener Block.
    Er stützte seine beiden Ellbogen auf den Stuhlrücken. Und er sah aus, als würde er im Notfall eine seiner breiten Hände um den Hals des Mannes legen und ihn mit dem Schädel gegen die Wand schlagen.
    »Ist Mortimer zurück?« fragte er.
    Der Lette, der das verbrannte Papier betrachtete, hob langsam den Kopf.
    »Ich weiß es nicht …«
    Seine Finger verkrampften sich, was Maigret nicht entging. Was ihm ebenfalls nicht entging, war ein Gepäckstück, das sich vorher nicht in dem Appartement befunden hatte und das nun in der Nähe der Schlafzimmertür stand.
    Es war eine gewöhnliche Reisetasche, die höchstens hundert Francs wert war und nicht in diese Umgebung paßte.
    »Was ist da drin?«
    Keine Antwort. Aber ein nervöses Zucken der Gesichtszüge.
    Schließlich eine Frage:
    »Wollen Sie mich verhaften?«
    Und man hatte den Eindruck, daß eine gewisse Erleichterung durch die Angst in der Stimme des Mannes hindurchklang.
    »Noch nicht …«
    Maigret stand auf, ging zu dem Gepäckstück und schob es mit dem Fuß vor den Kamin, wo er es öffnete.
    Es enthielt einen nagelneuen grauen Konfektionsanzug, an dem noch das Etikett mit den üblichen Ziffern hing.
    Der Kommissar nahm den Telefonhörer auf.
    »Hallo? … Ist Mortimer schon zurück? … Nein? … Und niemand hat für Zimmer 17 etwas abgegeben? … Hallo! … Ja … ein Paket von einem der großen Herrenwäschegeschäfte? … Sie brauchen es nicht heraufzubringen …«
    Er legte wieder auf und fragte brummig:
    »Wo ist Anna Gorskin?«
    Er hatte endlich das Gefühl, vorwärtszukommen!
    »Suchen Sie sie doch …«
    »Mit anderen Worten, sie ist nicht in diesem Appartement … Aber sie ist hier gewesen … Sie hat diese Tasche gebracht und einen Brief …«
    Mit einer hastigen Geste zerkrümelte der Lette die Asche des verbrannten Papiers, so daß nur noch Staub übrigblieb.
    Der Kommissar begriff, daß dies nicht der Augenblick war, unnötige Worte zu machen, daß er im Vorteil war, aber der kleinste Fehler ihn um seinen Vorsprung bringen würde.
    Routinemäßig erhob er sich und machte eine unvermittelte Bewegung auf das Feuer zu, so daß Pietr erzitterte und eine flüchtige Abwehrgebärde zeigte, über die er errötete.
    Denn Maigret stellte sich nur mit dem Rücken an den Kamin. Mit kurzen kräftigen Zügen rauchte er seine Pfeife.
    Danach lastete ein so langes, aufgeladenes Schweigen über ihnen, daß ihre Nerven zum Reißen gespannt waren.
    Der Lette stand wie auf heißen Kohlen, zwang sich jedoch, Haltung zu bewahren. Als Antwort auf Maigrets Pfeife zündete er sich eine Zigarre an.
     
    Der Kommissar begann auf und ab zu gehen. Als er sich auf das Tischchen stützte, auf dem das Telefon stand, hätte er es beinahe zerbrochen.
    Sein Gegner sah nicht, daß er auf den Knopf drückte, ohne den Hörer abzunehmen. Das Ergebnis trat sofort ein. Das Telefon klingelte. Das Büro fragte:
    »Hallo? … Haben Sie angerufen?«
    »Hallo! … Ja. Was sagen Sie? …«
    »Hallo? … Hier ist das Hotelbüro …«
    Und Maigret unerschütterlich:
    »Hallo! … Ja … Mortimer? … Danke! … Ich werde ihn gleich aufsuchen …«
    »Hallo! … Hallo! …«
    Er hatte kaum den Hörer aufgelegt, da läutete es schon wieder. Der Geschäftsführer erkundigte sich beunruhigt:
    »Was geht da vor? … Ich verstehe nicht …«
    »Ach was!« donnerte Maigret.
    Er beobachtete den Letten, der viel blasser geworden war und zumindest für einen kurzen Moment zur Tür stürzen wollte.
    »Es ist nichts!« sagte der Kommissar zu ihm. »Mortimer-Levingston ist zurückgekehrt. Ich habe gebeten, daß man mich benachrichtigt, wenn er auf seinem Zimmer ist …«
    Er sah Schweißtropfen auf der Stirn seines Gegenübers.
    »Wir sprachen von dem Gepäckstück und seinem Begleitbrief … Anna Gorskin …«
    »Von Anna ist niemals die Rede gewesen …«
    »Verzeihung … Ich glaubte … Ist der Brief nicht von

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