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Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)

Titel: Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: René Grandjean
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neben der Tür. Diese
einzigartige Melange ist es, die mir beweist, was ich eigentlich längst weiß,
aber in seiner ganzen Unglaublichkeit erst jetzt erfasse. 1985!
    Ohne meine Eltern wird dieses Haus
nie mehr so riechen. Selbst das Geräusch der Besteckschublade ist mir vertraut.
Beim Öffnen und Schließen ist eine Unregelmäßigkeit in der Führung, die das
Besteck einen geräuschvollen Hüpfer machen lässt. Meine Mutter serviert mir ein
Schnitzel mit Kartoffelpüree und Salat.
    „Und? Tiere gesehen?“, fragt sie.
    „Ich war im Zoo!“, erwidere ich
schulterzuckend. Was soll ich denn sonst gesehen haben? Dass ihnen das Wunder
dieses Augenblickes nicht bewusst ist, frustriert mich. Wo ist eigentlich mein
Bruder?
    „Wo ist Paul?“, frage ich.
    Meine Eltern tauschen einen
skeptischen Blick aus.
    „Bei der Bundeswehr“, lacht meine
Mutter.
    Ich lache auch, damit sie denkt,
ich hätte einen Witz machen wollen. Mein Vater leert seinen Kaffee in einem
Zug, drückt seine Zigarette aus und steht auf. Er ist kleiner als in meiner
Erinnerung.
    „So“, sagt er, und geht aus der
Küche.
    Damit wäre wohl alles gesagt, denke
ich. Meine Mutter seufzt, stützt das Kinn auf die Faust und schaut in den
Garten.
    „Habt ihr Streit“, will ich wissen.
Sie schaut überrascht auf.
    „Wie kommst du da drauf? Du weißt
doch, dass dein Vater nicht viel spricht.“ Sie steht auf, dreht mir den Rücken
zu und lässt Wasser in die Spüle laufen.
    Weiß ich das , frage ich
mich?
    Mein Vater ist eine Seele von
Mensch, aber kein großer Redner. Wie viele Nachkriegskinder ist auch er in
einer Zeit großer Entbehrungen aufgewachsen. Nach dem frühen Tod seines Vaters,
meines Großvaters, den ich nie kennengelernt habe, musste er schon im zarten
Alter von vierzehn Jahren die Rolle des Ernährers für seine Mutter und seine
beiden jüngeren Geschwister übernehmen. Das prägt. Mein Vater ist der
fleißigste und pflichtbewussteste Mensch, den ich kenne. Nach einem Sportunfall
fuhr er sogar mal mit einer unbehandelten gebrochenen Schulter zur Arbeit.
„Kommt von allein, geht von allein“, ist seine Devise bei Krankheit und
Schmerz. Bis heute arbeitet er als Schlosser in dem Betrieb, wo er schon als
Lehrling auf Holzkisten stand, um an die Bedienfelder der großen Maschinen zu
gelangen. Es ist ihm, solange ich denken kann, unmöglich, sich von dieser
Ernährerrolle zu lösen. Er hat meiner Mutter verboten, durch eine
Nebentätigkeit ihren Beitrag zur Finanzierung des Haushaltes zu leisten. Später
verstand ich, dass dies meinen Vater in der Legitimation seiner Existenz
bedroht hätte. Meine Mutter war die Hausfrau, die sich nebenbei um die
Erziehung und die emotionalen Angelegenheiten der Kinder zu kümmern hatte.
Damit hatte mein Vater überhaupt nichts am Hut. Bis heute habe ich nicht
verstanden, warum eigentlich nicht.
    Ich esse auf und verlasse die
Küche. Aus meinem Schrank fische ich ein T-Shirt mit einem Anker auf der Brust.
    Meinen Vater treffe ich im
Wohnzimmer wieder. Er streckt die Beine aus, die Arme vor der Brust
verschränkt. Sein Blick ist schläfrig. Ich setze mich zu ihm ans andere Ende
des braunen Sofas. Die Fische im Aquarium ziehen stumm ihre Runden.
    Der Fernseher hat ein
silberfarbenes Kunststoffgehäuse und Sensortasten. Ich erinnere mich, das die
Berührung eines Fliegenbeins genügt, um den Kanal zu wechseln. Ilona Christen
moderiert die Tele-Illustrierte . Auch schon tot, fällt mir ein. Ich höre
ihr nicht richtig zu, betrachte meinen Vater im Profil, als das Wort Konzert mich aufhorchen lässt. Ich suche nach der Fernbedienung, die wir nicht haben,
gehe zum Fernseher und stelle lauter.
    „Es soll das größte Konzert aller
Zeiten werden. Ein Konzert, das den Hunger in Afrika beendet. Viele der namhaftesten
Künstler unserer Zeit haben sich zusammengetan, um mit einem gewaltigen
Spektakel parallel auf zwei Kontinenten auf die furchtbare Hungerkatastrophe
aufmerksam zu machen, von der in Äthiopien aktuell schätzungsweise acht
Millionen Menschen betroffen sind. Aus London berichtet unser Korrespondent
Ruprecht Esser.“ Blende. Ein Mann steht vor der Tower Bridge. Er trägt ein
kleinkariertes Sakko, sein Haar ist stramm gescheitelt.
    „Es ist eine beachtliche
organisatorische Leistung, die Bob Geldof, Initiator des Konzertes gegen den
Hunger , zusammen mit seinen Mitarbeitern in wenigen Monaten gestemmt hat.
Er konnte nicht mehr ertragen, wie die Welt unzähligen Äthiopiern beim
Verhungern zusieht,

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