Make new Memory oder wie ich von vorn begann (German Edition)
stören. Er nimmt einen tiefen Zug, bevor er spricht:
„Habe die Kleine hier in der
Telefonzelle gesehen“, meint er und deutet auf Bettina. „Scheiße, dachte ich,
was macht denn Lea Thompson hier mitten in scheiß Frankreich? Da muss ich mal
gucken, dachte ich. Aber – hey – du bist gar nicht Lea. Du bist viel hübscher.“
Bettina lächelt verlegen.
Das kann jawohl nicht dein Ernst
sein, denke ich.
Zips gieriger Blick klebt an ihr.
„Ey!“, raune ich. „Alter!“
Ich schnippe mit den Fingern, bis
ich seine Aufmerksamkeit habe.
„Hier spielt die Musik! Danke. Pass
auf, Zip. Keine Ahnung, wo du herkommst. Und es mag sein, das deine Easy-Rider-Masche da gut ankommt. Aber hier und jetzt baggerst du an meinem Mädchen rum. Und das
stinkt mich an. Alles klar?“
Zip schnaubt Rauch aus seinen
Nasenlöchern.
„Große Worte“, höhnt er. „Stimmt
das? Bist du sein Mädchen?“
Bettina schaut mich an, dann ihn.
„Yep!“, sagt sie.
„Na, wenn das so ist!“
Er nimmt noch einen tiefen Zug von
seiner Zigarette und schnippt sie weg.
„Habt ihr was Essbares für mich?
Ich und meine Leute, wir haben nichts dabei.“
Er lächelt, und wir lächeln zurück.
„Setz dich, nimm dir `nen Keks,
mach es dir schön bequem“, zitiere ich.
„Du Arsch!“, brüllen Zip und Josch
wie aus einem Mund und schütteln sich vor Lachen.
Zip heißt eigentlich Stephan, ist
neunzehn Jahre alt und Student aus Köln. Er ist mit ein paar Freunden auf dem
Weg nach London. Und er riecht den Braten.
„Und ihr drei seid allein
unterwegs?“
Wir nicken.
„Abgefahren!“, findet er. Mehr
Fragen stellt er nicht.
Josch erklärt, dass wir an den
Grenzen einfach Schwein hatten.
„Das ist jetzt vorbei“, sagt Zip
ernst. „Auf die Fähre kommt ihr niemals.“ Er nimmt sich noch einen Keks.
„Es sei denn, ihr fahrt mit mir!“
Josch schultert seinen Rucksack und
ich verschließe den Polo. In Gedanken entschuldige ich mich bei Paul dafür,
dass ich seinen Wagen irgendwo in Frankreich zurücklasse. Bettina nimmt meine
Hand und zieht mich mit sich hinter Josch und Zip her. Ein paar Lkw-Fahrer
pfeifen. Bettina reagiert nicht, und mich macht es kaum wütend. Sie ist sowieso
mein Mädchen!
Schon von Weitem erkenne ich Zips
Wagen. Vier Jungs und ein Mädchen dösen auf dem schmalen Grünstreifen neben
einem blauen Bulli. Das Geräusch der Straße, die skeptischen Blicke der anderen
Leute scheinen sie nicht zu stören. Zip stößt einen Grunzlaut aus. Ist wohl
eine Art geheimes Erkennungszeichen, denn seine Leute erwidern es und schlagen
sich genau wie er dreimal mit der Faust auf die Brust.
Das Mädchen springt auf, um uns zu
begrüßen. Sie heiße Aura, sagt sie, und ich bilde mir ein, zu hören, wie
Josch’s Herz schneller zu schlagen anfängt. Aura ist aber auch wirklich
bezaubernd. Seidige, blonde Haare. Ein bauchfreies Trägertop. Schlagjeans. Sie
steckt gerade irgendwo in der Phase zwischen Mädchen und junger Frau. Auch ich
glotze wohl, denn Bettina stößt mich an.
Aura heißt uns herzlich willkommen.
Falls sie sich wundert, dass wir drei allein unterwegs sind, lässt sie sich
nichts anmerken. Bettina und ich sagen ihr unsere Namen. Josch sagt keinen Ton.
Ihn hat es voll erwischt.
Später, als wir unterwegs sind,
begehen wir einen strategischen Fehler. Aber der Reihe nach.
Wick ist der Fahrer. Ich denke Wick
wie Wikinger , weil er ein bulliger, bärtiger Kerl ist.
„Was?“, schüttelt er sich. „Ich bin
doch kein keulenschwingender Primitiver. Wick wegen der Hustenbonbons. Ich
liebe die Dinger.“
„Wicks Mentholatem macht dich für
Stunden blind. Pass bloß auf“, ruft mir ein Junge zu, der mir als Sandokan vorgestellt
wurde. Er trägt einen adrett rasierten Spitzbart und ein Stirnband.
Ein Radio hat der Bus nicht. Dafür
gibt es Medley. Er sitzt hinten mit seiner Gitarre und spielt wirklich jedes
Lied, das mir einfällt – auf Zuruf. Jetzt gerade London Calling von The
Clash . Medley hieß früher mal Musicbox , aber wegen der aggressiven
Außenpolitik von Reagan wollte er keinen amerikanisch klingenden Namen mehr.
Josch ist im siebten Himmel. Er und
Aura sind in ein Gespräch vertieft. Dann passiert es. Flow, ein pickeliger Kerl
mit Irokesenschnitt, bietet uns Kekse an. Ich wundere mich noch, weil Zip doch
sagte, sie hätten nichts zu Essen dabei, greife aber zu. Die anderen auch. Nur
Wick lehnt ab. Bettina findet, sie schmecken eigenartig, aber gut. Und eine
halbe Stunde später
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