Mala Vita
Ankunft um einen Termin bemühen«, erwiderte er. »Ein Freund meines Bruders lebt auf Antigua. Er verwaltet den Nachlass Enricos. Ich muss dort Papiere für die Bank unterschreiben, damit ich über das Konto und die Dokumente meines Bruders verfügen kann.«
»Kennst du ihn?«, fragte Rosanna.
»Nein«, erwiderte Cardone und schob sich eine Ladung Spaghetti in den Mund. »Er ist … äh … war ein enger Freund von Enrico. Dem Namen nach ist er ein englischer Adliger.«
»Immerhin scheinst du dir viel zu erwarten, wenn du extra des Nachlasses wegen hinfliegst und mir noch dazu die Reise finanzieren willst.«
»Ich weiß nur, dass es dort dieses Konto gibt.« Cardone grinste. »Ich habe aber keine Ahnung, was mich dort erwartet.«
Rosanna lächelte kühl. »Wer weiß, vielleicht bist du in Kürze ein schwerreicher Mann.«
»Das glaube ich nicht. Ich bin immer noch misstrauisch. Für mich ist das alles wie eine Geschichte aus einem dicken Märchenbuch.«
Rosanna schob ihren Teller beiseite und fragte: »Sollen wir einen Wein bestellen?«
»Ich schlage Rotwein vor«, entgegnete er.
»Ungewöhnlich«, nahm sie den Gesprächsfaden wieder auf, »dass ein Anwalt ein Konto in der Karibik hat. Normalerweise gehen solche Leute zur Cassa di Risparmio. Oder hatte der böse, böse Enrico etwa Schwarzgeld?« Sie lächelte Cardone zuckersüß an und griff nach der Weinkarte.
Cardone versuchte, sich die innere Irritation nicht anmerken zu lassen, die ihn jäh überkam. »Wie kommst du auf Schwarzgeld?«, antwortete er mit rauher Stimme und in ihm keimte der Verdacht, Rosanna stelle ihm Fragen, deren Antworten sie bereits kannte.
»Die Zeitungen haben darüber gemunkelt, und so, wie sich die Geschichte über deinen Bruder anhört …«
»Zeitungen, Zeitungen! Genau das ist es, was mich allmählich in den Wahnsinn treibt. Wie sagte Tucholsky so treffend? Ereignisse haben manchmal unrecht – die Zeitung nie.«
»Aber an Tatsachen kannst selbst du nicht vorbei!«, erwiderte Rosanna.
»Ich rege mich nicht über Tatsachen auf, wenn sie denn auch zutreffen. Aber in diesen Blättern wird Seite um Seite mit Verdächtigungen gefüllt, es wird gemutmaßt, angenommen, unterstellt! Ich gebe zu, offenkundig habe ich meinen eigenen Bruder kaum gekannt. Und wie ich dir schon sagte, es macht mir Angst. Aber etwas Handfestes, etwas, worauf ich mich verlassen kann, das habe ich nicht. Nicht einmal die Carabinieri wissen etwas Konkretes. Jedenfalls haben sie das mir gegenüber verlauten lassen. Irgendwie ist alles zur Glaubensfrage geworden. Also muss ich mich selbst davon überzeugen, was mit meinem Bruder los war.«
Rosanna hatte ihm aufmerksam zugehört und ihre Hand beruhigend auf die seine gelegt. »Ich mag dich, Roberto«, sagte sie leise. »Lass uns miteinander nach Antigua fliegen! Ich muss noch ein paar Termine prüfen und gegebenenfalls absagen. Aber länger als acht Tage kann ich nicht unterwegs sein.«
[home]
Störfeuer
B ei der Ankunft auf dem Flughafen Guglielmo Marconi in Bologna wurde d’Aventura überraschenderweise von zwei Männern erwartet, die ihn in der Ankunftshalle abfingen. Im ersten Augenblick vermutete er, dass sein Assistent für Abholung gesorgt und er Kollegen vor sich hatte.
»Comandante Livio d’Aventura?«, fragte ihn der Größere der beiden.
»Si«,
erwiderte er, stellte seine Reisetasche ab und musterte die Männer neugierig. Unvermittelt beschlich ihn ein unangenehmes Gefühl, als er in die tückischen Augen des schlaksig wirkenden Mannes blickte, der ihn angesprochen hatte. Miene und Habitus des Fremden stießen ihn ab.
»Schön, dass wir Sie gleich getroffen haben«, unterbrach der Mann d’Aventuras Gedanken. »Ich bin Gianni Fessoni und das …« Er wies mit der Hand auf seinen Begleiter. »… ist Maggiore Mauro Casagrande.« Er zog ein Lederetui aus der Tasche, klappte es auf und hielt es d’Aventura unter die Nase.
Die Augenbrauen des Comandante zogen sich unwillig zusammen, als er las: Comitato Esecutivo per i Servizi d’Informazione e di Sicurezza Militare Italiana. SISMI . Colonnello Gianni Fessoni.«
»Wir müssen mit Ihnen sprechen«, sagte Fessoni im Befehlston und steckte das Etui wieder in die Tasche.
D’Aventura fühlte, wie in ihm kalte Wut hochstieg. »Was will der militärische Geheimdienst ausgerechnet von mir?«
»Das werden wir Ihnen gleich erklären. Lassen Sie uns erst einmal zum Wagen gehen«, bat der Colonnello d’Aventura mit dem Anflug eines Lächelns und
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