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Mala Vita

Mala Vita

Titel: Mala Vita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio M. Mancini
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schon! Ich bin, seit ich denken kann, der Meinung, dass man mit einem monströsen Ego nur in die Politik oder zur Bühne gehen kann. Sehen sie sich die ehrenwerten Signori auf der politischen Ebene an!«
    »Treiben Sie es nicht auf die Spitze«, keifte Minetti außer sich vor Zorn, »sonst werde ich Sie auf der Stelle suspendieren!«
    »Etwas Besseres fällt Ihnen nicht ein? Lassen Sie mich gefälligst meine Arbeit tun, und bleiben wir bei unserem Beispiel! Arbeitsgruppen und Sonderkommissionen werden gebildet, Politiker loben die exzellente Zusammenarbeit in der Ermittlungsbehörde. Die Carabinieri vor Ort dagegen haben schwere Augenleiden und unerklärliche Gehbehinderungen bei der Suche nach den Verbrechern. Stellt sich versehentlich heraus, dass der Mord nur die Spitze des Eisbergs ist, kann sich unser oberster Staatsanwalt in Rom plötzlich des Gedankens nicht erwehren, dass Strafe mehr schadet als das Verbrechen selbst, und bläst die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei der Mafia ab.«
    »Sehen Sie sich vor, was Sie sagen«, brüllte Minetti. »Sie reden sich um Kopf und Kragen.«
    D’Aventura steckte sich erneut eine Zigarette an und schaute seinem Vorgesetzten ungerührt in die Augen. Zorn und unbeugsamer Wille sprachen aus seiner Miene.
    Mit kalter Stimme fuhr er fort: »Schlimm genug, dass ein TV -Sender ein anonym zugespieltes Video ausstrahlt und das Drama mit tendenziösen Kommentaren anreichert. Was tut man nicht alles für Quoten! Ist es nicht wundervoll, wenn das aufzuklärende Volk vor den heimischen Bildschirmen miterleben darf, wie Berichterstatter mit unschlagbarer Wichtigtuerei ihrer Aufklärungspflicht nachkommen? Wissen Sie, was ich bei der Vorstellung empfinde, wenn in überfüllten Restaurants
spaghetti alle vongole
aufgetragen werden, während gleichzeitig eine blondgefärbte Kommentatorin mit sensationsgeladener Stimme quasi den gelungenen Tomatensugo mit Blut und Tod verfeinert? Verbrechen als Unterhaltungssendung, das ist einfach zum Kotzen! Vor allem lenkt es von den wahren Problemen ab.«
    »Unsinn! Ich hoffe, Sie haben ihren Vortrag in Sachen Ethik beendet«, fuhr Minetti mit triefendem Spott dazwischen. »Wollten Sie mir nicht Lösungen anbieten? Tun Sie sich keinen Zwang an, ich bin ganz Ohr!«
    »Alles zu seiner Zeit«, presste d’Aventura über die Lippen. »Nach dieser spektakulären Exekution werden unsere Politiker als Zeichen großen Engagements zwei nagelneue Polizeiautos nach Caltabellotta schicken, aber nicht bevor sie die TV -Sender informiert haben. Schließlich sollen die Wähler erfahren, was man alles tut, um die Sicherheitskräfte bei der Jagd nach einem Mörder zu unterstützen. Leider ist zu befürchten, dass die Beamten hier oben nicht sehr motiviert sein werden, mit den neuen Polizeiautos nach Bruno Sforzano zu fahnden. Denn immerhin wäre zu befürchten, dass der Festgenommene den Hinweis auf einen Auftraggeber liefert. Und nun, verehrter Signore, werde ich mich ganz pragmatisch den Lösungen widmen.«
    D’Aventura wuchtete seinen massigen Körper aus dem Sessel, gab seinem Assistenten einen Wink und verließ gemeinsam mit ihm den Raum.
    »Fahren wir nach Hause!«, brummte er.

    Eine knappe Stunde später erreichten d’Aventura und Venaro die Direktion der Antimafiabehörde in Palermo. Schweigend betraten sie das Dienstgebäude.
    »Kommst du noch mit?«, fragte der Comandante vor der Tür des Kommissariats.
    »Gleich«, murmelte Venaro entschuldigend. »Ich muss erst pinkeln.«
    D’Aventura nickte und betrat das Vorzimmer, in dem um diese Zeit niemand mehr arbeitete. Wütend schlug er die Tür hinter sich zu, warf sein Jackett über den Stuhl, ging zum Fenster und riss beide Flügel weit auf. Er beugte sich hinaus und blickte missgelaunt hinunter auf die Straße. Wie er vorausgeahnt hatte, die Suchaktion war ein Schlag ins Wasser und hatte seiner Meinung nach eher geschadet als genutzt.
    Eine gleißende Perlenkette von Scheinwerfern fraß sich zur Piazza Principe di Camporeale, einer der Hauptverkehrsachsen Palermos. Stimmen junger Leute vermischten sich mit dem Lärm knatternder Mopeds und aufheulender Motoren. In den schwarzen Häuserblöcken, deren glatte Giebel sich am düsteren Himmel wie Scherenschnitte abzeichneten, wirkten die erleuchteten Fenster wie trübe Augen. Der Anblick rief bei d’Aventura eine Art melancholische Bitterkeit hervor. Er fühlte sich plötzlich unendlich müde und abgespannt. Am liebsten wäre er nach Hause gegangen. Aber

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