Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Taille, der Hüfte kannte sie natürlich, genau wie ihren Body-Mass-Index von 20 und ihr Taille-Hüft-Verhältnis von 0,7. Aber was war mit den Handgelenken, dem Hals, dem Umfang der Waden, der Länge der Füße, der Höhe der Stirn? Was mit der Spannweite der ausgestreckten Arme, dem Abstand der Augen, dem Winkel zwischen Schulterblatt und Achselhöhle, der Entfernung zwischen den Brustwarzen? Belle war neugierig. Und das Ergebnis war wunderbar: Das Maßband zeigte nur Idealmaße an.
In der Küche bereitete Maggie eine Pasta aglio e olio vor. Spaghetti mit Knoblauch und Öl, die beherrschte sie perfekt – jedoch wurde für ihren Mann wie für ihre Kinder ein Nudelgericht erst dann zu einem Nudelgericht, wenn es Tomaten dazu gab. An raffinierten Kräuter- oder Fleischsoßen nörgelte Fred genauso herum wie an delikaten Trüffeln und Flusskrebsen. Für ihn war das alles nur Schnickschnack. Eine ordentliche Pasta, das waren Nudeln mit roter Soße und sonst nichts.
»Du weißt doch, dass ich das nicht mag«, sagte er, als er in die Küche kam.
Maggie stand kurz vor dem entscheidenden Moment: nämlich Nudeln und Knoblauch in die Pfanne zu werfen, bevor das Öl dazukam.
»Wer sagt denn, dass die Nudeln für dich sind? Wenn du Lust auf deine Soße hast, kannst du dir heute Nachmittag zwischen zwei Kapiteln eine machen.«
»Und für wen ist diese Pasta?«
»Für zwei arme Kerle, die wie wir fern der Heimat leben müssen. Aber im Gegensatz zu uns haben sie dieses Schicksal nicht verdient.«
Er zuckte mit den Schultern und fragte, warum sie immer ihm die Schuld gab. Maggie dachte nicht daran zu antworten, sie verschwand mit den Nudeln zu Richard Di Cicco und Vincent Caputo, die mit Kopfhörern auf den Ohren Karten spielten.
»Ruft gerade jemand bei uns an?«, fragte sie.
»Ja, ein gewisser Cyril«, antwortete Vincent. »Ich will ja nicht indiskret sein, aber dieser Typ ruft Belle seit einer Woche jeden Tag an.«
»Nie gehört. Jungs, wenn ihr glaubt, dass Belle sich in ihn verliebt, müsst ihr mir Bescheid geben.«
Statt unter dem FBI zu leiden, hatte Maggie gelernt, sich seiner zu bedienen. Sie schätzte Quintiliani und seine Männer wirklich sehr und fühlte sich von ihnen nicht ausspioniert, sondern eher beschützt. Nur ein Staatschef kam gewöhnlich in den Genuss einer solchen Behandlung. Warum noch in den Schränken der Kinder und den Hosentaschen des Mannes herumwühlen? Das FBI erledigte das und befreite Maggie von den tausend Zweifeln und Ängsten, unter denen jede Ehefrau und Mutter in der Regel litt. Sie war nicht stolz darauf. Aber dass sie ihre häuslichen Probleme mit FBI -Hightech löste, trieb ihr auch nicht die Schamesröte ins Gesicht. Freds kleine Gemeinheiten, Warrens kleine Ausrutscher, Belles kleine Geheimnisse, Richard und Vincent informierten sie über alles.
»Vincenzo, ich habe euch aglio e olio gekocht.«
»Meine Frau bekommt sie nie so hin wie du, Maggie. Weiß der Teufel, woran das liegt. Vielleicht mischt sie den Knoblauch zu früh darunter.«
»Wie geht’s ihr?«
»Sie vermisst mich, sagt sie.«
Was für eine absurde Situation, die die drei zusammenschweißte. Da saßen sie in einem leeren Haus in einem kleinen Ort in der Normandie, Tausende von Kilometern von zu Hause entfernt. Das Heimweh hatte die beiden Lieutenants fest im Griff, der Appetit war also eher klein. Doch Maggies Gegenwart schenkte ihnen immer Kraft, mehr noch als ihre Spaghetti. Sie umsorgte sie, mal wie eine Ehefrau, mal wie eine Schwester. Sie war ehrlich und aufrichtig zu ihnen. Mit den Jahren war eine wertvolle Beziehung daraus geworden. Sie tauchte auf, und Langeweile und schlechte Laune waren wie weggeblasen. Maggie half ihnen, durchzuhalten, die Grenzen ihrer beruflichen Fähigkeiten auszutesten.
Um zu verstehen, wie Caputo und Di Cicco zu diesem Job gekommen waren, musste man sechs Jahre zurückgehen, zum »Prozess der fünf Familien«, wie die Medien die Sache getauft hatten. Die Manzonis standen bereits unter der Obhut des Zeugenschutzprogramms, hießen schon Blake und waren eine kleine Familie ohne Geschichte, die den Big Apple in Richtung Utah verließ. Cedar City, eine Stadt mit achtzehntausend Seelen mitten in der Wüste, war ihr Ziel. Cedar City erfüllte die wesentlichen Kriterien: Die Stadt war zu klein für jede Art von organisiertem Verbrechen, aber groß genug, um ein Mindestmaß an Anonymität zu garantieren. Die Blakes zogen in eine Siedlung, in der reiche Rentner wohnten. Deren Problem
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