Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
war jetzt plötzlich auch ihres: Was tun mit der vielen freien Zeit? Sie waren zwar endlich von dem monatelangen Druck befreit, aber trotzdem fühlten sie sich wie Gefangene. Es war ein seltsames Leben. Die Einkäufe wurden ins Haus geliefert, zum Zeitvertreib wurden Fernkurse belegt. Keiner der Nachbarn interessierte sich für sie, sie fühlten sich wie Eremiten. Quintiliani hatte Fred seit Prozessende nicht aus den Augen gelassen. Er war wegen seiner Hartnäckigkeit und seiner italienischen Wurzeln für diesen Job ausgesucht worden. Aus dem gleichen Grund machte er Di Cicco und Caputo zu seinen Mitarbeitern. Keiner kannte die Manzonis besser als die drei. Vier lange Jahre hatten sie die Familie verfolgt, sie abgehört, bis Giovanni ihnen endlich in die Falle ging. Die Wiedereingliederung sollte in zwei Etappen geschehen: Als Erstes sollten die Kinder in Cedar City zur Schule gehen, danach Maggie einen Job finden. Falls ihre falsche Identität nicht aufflog.
Doch niemand hatte mit der Entschlossenheit gerechnet, mit der die fünf Familien, die den Staat New York kontrollierten, zu Werke gingen.
Jede von ihnen hatte bei Prozessende zwei oder drei Männer verloren, ganz zu schweigen von Don Mimino, dessen Heer von Anwälten in Schweigen verfallen war angesichts der erdrückenden Beweislage, die Giovanni Manzoni gegen ihn, den obersten Chef der Cosa Nostra, vor Gericht hervorbrachte. Es war der reinste Cäsarenmord. Die fünf Familien legten zusammen – Geld spielte keine Rolle mehr. Jeder, der auch nur den kleinsten stichhaltigen Hinweis zum Verbleib Manzonis liefern konnte, durfte von einer Belohnung von zwanzig Millionen Dollar träumen. Gleichzeitig stellte man einen Trupp von mehreren Profikillern zusammen, der die Manzonis aufspüren sollte. Enzo Fossataro, der Interimsboss – Don Mimino hatte seinen Nachfolger vom Gefängnis aus noch nicht bestimmt –, schloss sich mit den Familien von Seattle, Kalifornien und Kanada zu einem Netzwerk zusammen. Er schaltete sogar, völlig ungestraft, in mehreren seriösen Zeitungen recht unzweideutige Anzeigen. Obwohl diese Blätter nicht der Mafia gehörten, druckten sie diesen Real-Krimi, der die Auflagen erhöhte, gerne ab. Sehr bald bereisten Todesbrigaden oder Crime Teams , wie die Post sie nannte, systematisch das ganze Land. In den winzigsten Städten und den schäbigsten Bars stellten sie ihre Fragen. Sie hinterließen überall ihre Handynummern und sparten selten am Trinkgeld. Für das FBI war eine solch perfekt organisierte Menschenjagd vollkommenes Neuland. Dabei war das Vorgehen der Jäger immer gleich: Zwei Typen betraten eine Bar, legten eine Zeitung auf die Theke und blätterten zu einer bestimmten Seite, auf der ein Foto der Manzonis abgedruckt war. Das Bild war bei der großen Parade in Newark aufgenommen worden, alle vier lächelten in die Kamera. Damit war alles gesagt, ohne dass etwas gesagt werden musste. Und die alte zerknitterte Zeitung könnte sich in Windeseile in einen Scheck von zwanzig Millionen Dollar verwandeln.
Warum aber waren die fünf Familien bereit, ihr Vermögen bis zum letzten Cent auszugeben? Weil es ihnen weniger um Rache als um ihr eigenes Überleben ging. Der Schlag, der nach dem Manzoni-Prozess gegen die Mafia geführt worden war, erschütterte sie in ihren Grundfesten, ja, drohte sie sogar über kurz oder lang ganz zu vernichten. Wenn ein einzelner Verräter einen derart großen Schaden anrichten konnte, um sich dann mit dem Segen des Gerichts und den Steuergeldern von braven Bürgern bis zum Ende seiner Tage in Sicherheit zu wiegen, dann stimmte etwas mit der Idee der Familie, ja der ganzen Mafia nicht mehr. Früher floss Blut, wenn man die Mafia verlassen wollte. Manzoni hatte seinen Treueschwur gebrochen und lungerte jetzt vor einem Fernseher herum oder ließ sich von der Sonne den Arsch bescheinen. Eine jahrhundertelange Tradition drohte unterzugehen. Die Cosa Nostra konnte nicht zulassen, dass ihre Ideale mit Füßen getreten wurden. Um zu zeigen, dass sie noch quicklebendig war und nicht vorhatte zu verschwinden, musste sie knallhart zurückschlagen. Das Überleben der fünf Familien hing vom Tod der Manzonis ab. Und so überzogen die Crime Teams wie ein Krebsgeschwür das ganze Land, sie tauchten in jedem heruntergekommenen Dorf auf und durchforsteten Wohngegenden, in die sich bisher kein Fremder gewagt hatte. Keine lokale oder nationale Behörde konnte sie daran hindern, mit einer alten Zeitung unterm Arm spazieren zu
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