Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Rückruf keine Minute auf sich warten lassen, wo auch immer in der Welt er sich gerade befand. Als sie damals sein Geständnis erpressen wollten, hatte das FBI Parabolantennen, Laser und Satelliten eingesetzt. Außerdem Mikros, nicht größer als ein Muttermal, und Kameras, die in den Bügel einer Brille passten, sowie diverse andere technische Spielereien, von denen James Bond nur träumen konnte.
»Sag mal, Fred, bist du von allen guten Geistern verlassen?«, fragte Quint.
»Ich will diesen anständigen Menschen nicht kränken. Und unbeliebt will ich mich auch nicht machen.«
»Unbeliebt? Keinen Cent würde ich auf deine Beliebtheit mehr geben, wenn die Leute hier wüssten, wer du wirklich bist. Du bist ein Gauner und Mörder. Kein Schriftsteller. Du bist nur ein Mistkerl, der seine Haut gerettet hat. Vergiss das nicht.«
Schon lange hatten Fred und Tom die Höflichkeiten beiseitegepackt, um sich gegenseitig mit den schönsten Beleidigungen zu bedenken. Ihr Spiel verlangte höchste Konzentration und ständig neue Ideen.
»Eine Sache verstehe ich überhaupt nicht«, fuhr Tom fort, »du willst an einer Diskussion teilnehmen, aber ich kann mir kaum etwas vorstellen, das weniger zu dir passt.«
Er hatte recht. Eine Diskussion, der Austausch von Ideen? Die beiden Wörter »Austausch« und »Ideen« passten wirklich nicht zu ihm. Die Redefreude, die Giovanni Manzoni liebte, wurde eher durch die Schläge einer Brechstange hervorgerufen, und ein guter Meinungsaustausch beruhte auf dem perfekten argumentativen Zusammenspiel von Schweißbrenner und Bohrmaschine. Hätte Alain Lemercier ihm nicht von dem Schriftsteller aus dem Film erzählt, den alle für einen Versager hielten, Fred hätte ihm sofort eine Absage erteilt. Aber wer könnte besser als Fred zu diesem Thema sprechen? Es genügte nicht, einfach zu schreiben, um ein Schriftsteller zu sein. Man musste auch die Probleme eines Schriftstellers kennen und durchleben. Und er, Fred, kannte all die Ängste, die den Schreibenden überfallen, wenn er sich in seiner Höhle verkriecht und die Wahrheit sucht, die allzu oft auch noch unbequem ist.
»Ich werde mir den Film zuerst auf Video anschauen. Und dann, Tom, werde ich mir ein paar interessante Sachen überlegen, die ich den Leuten erzähle. Und du begleitest mich. Ich stelle dich als einen Freund vor. Als Gegenleistung werde ich dich in meinen Memoiren mit einem wunderbaren Porträt verewigen. Das verspreche ich dir.«
Quintiliani wusste auf ein solch hinterlistiges Argument nichts zu erwidern. Er lachte laut los.
*
Maggie wollte weder zu dem Film noch zu der anschließenden Diskussion kommen. Sie hatte sich einen ganzen Nachmittag mit den administrativen Aufgaben, die das Hilfswerk für sie bereithielt, beschäftigt, wie die Akquirierung von Spenden, das Sammeln und Ordnen von Rechnungen und das Erstellen von Dienstplänen. Jetzt half sie freiwillig bei der Essensausgabe an achtzig Menschen in der Kantine des technischen Gymnasiums von Evreux. Sie stand hinter einer improvisierten Theke aus Resopaltischen und füllte die Teller der Hungrigen. Wie viel Erbsenpüree musste sie wohl noch ausgeben, bis sie ihre Vergehen gegen die Menschlichkeit gesühnt hatte? Sie kam sich vor wie eine Rot-Kreuz-Schwester auf dem Schlachtfeld. Sie bediente und half in der Küche aus, sie be- und entlud Essenswagen, sie begrüßte Leute und spülte das Geschirr – und das alles wie ein Athlet, der einen neuen Rekord aufstellen will. Wohltätigkeit war für sie eine sportliche Disziplin. Zuerst kam das Aufwärmen, dann das Trainieren und schließlich das Voll-Durchstarten. Mit genügend Praxis konnte man es bis zum Champion bringen. Als der Speisesaal sich geleert hatte, musste sie es sich eingestehen: Selbstlosigkeit kann wirklich Spaß machen. Und bewaffnet mit einem Schwamm fiel sie über die leeren Kochtöpfe her. Ob sie sich dabei die Hände aufrieb, zerkratzte oder verletzte, spielte keine Rolle. Schließlich galt es hier, berühmten Vorbildern nachzueifern.
*
Im Halbdunkel des riesigen Gemeindesaals warteten die Zuschauer auf die Einführung von Alain Lemercier. Die fünfzig Aufrechten, die immer da waren, bildeten inzwischen so etwas wie eine verschworene Gemeinschaft. Keiner von ihnen wollte diese Art von Gemeinschaftserlebnis verpassen, das es nirgends sonst mehr gab – und auch nicht die großen Gefühle, die eben nur eine große Leinwand erzeugen konnte. Aber genauso schätzten sie jedes Mal die Rückkehr in die
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