Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Wirklichkeit und auch die Diskussionen nach dem Film. Ihren Fernseher und ihr Wohnzimmer zu verlassen, um sich einen Film in einem Saal anzuschauen, war in ihren Augen ein Akt des Widerstands.
Thomas Quintiliani und Frederick Blake saßen nebeneinander ganz hinten. Der eine konnte seine Nervosität schlecht verbergen, der andere seine Begeisterung. Der FBI -Mann dachte mit Schrecken an die vielen Fragen, die man seinem Schutzbefohlenen vielleicht stellen würde – sollten sie auch noch so harmlos sein. Gleichzeitig aber garantierte Freds Eingliederung in die Gemeinde ihm ein entspannteres Verhältnis zu seinen Vorgesetzten. Die Achtung, die man einem Schriftsteller, der gar keiner war, entgegenbrachte, bewies auf eine perverse Weise, dass es ihm, Tom Quint, gelungen war, aus einem Gauner eine angesehene Persönlichkeit zu machen. Und das in einem Land wie Frankreich! Wenn das kein Wunder war. Fred seinerseits hatte sich den Film mehrmals auf Video angesehen, um sich auf die anschließende Diskussion vorzubereiten. Er hatte sich auf alle möglichen Fragen Antworten zurechtgelegt, die er problemlos herunterbeten konnte. Beginnen wollte er mit einem Zitat, das Warren im Internet gefunden hatte: »Die Frau eines Schriftstellers wird nie begreifen, dass ihr Mann arbeitet, wenn er aus dem Fenster sieht.« Das Unverständnis, auf das seine Arbeit bei seiner Familie stieß, die Gehässigkeit, mit der sie auf ihn, den ihrer Meinung nach nur vermeintlichen Schriftsteller, herabblickte – beides brachte dieser Satz genau auf den Punkt. Heute Abend, bei seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit, würde er sich an allen rächen, die an der Ernsthaftigkeit seines Tuns zweifelten.
Lemercier war schon längere Zeit im Vorführraum verschwunden. Warum begann der Film nicht? Ungeduld machte sich breit.
»Bei uns zu Hause hätte man den Vorführer schon längst erschossen«, flüsterte Fred Quintiliani zu.
Tom war zwar das Warten gewohnt, stimmte ihm aber trotzdem zu. Da tauchte Lemercier wieder auf, wedelte nervös mit den Armen und ging auf die Bühne, er hatte eine Mitteilung zu machen.
»Liebe Freunde! Der Kinemathek ist ein Irrtum unterlaufen. Sie hat uns die falschen Filmrollen geschickt. Und das nicht zum ersten Mal …«
Das stimmte. Zweimal im Jahr war fast schon die Regel. Letzten November hatte sich Michael Ciminos Deer Hunter in die Schachteln von Charles Laughtons Nacht des Jägers verirrt. Und ein paar Monate zuvor konnte der amerikanische Dokumentarfilm Strafpark nicht vorgeführt werden. Die Cineasten mussten sich mit Inspektor Clouseau, der »beste« Mann bei Interpol begnügen. Es brauchte jedoch mehr, um Alain aus der Ruhe zu bringen. Er war ein Meister im Improvisieren, immer konnte er der Programmänderung etwas Gutes abgewinnen, manchmal entdeckte er sogar interessante Verbindungen zwischen den verwechselten Filmen. Pannen zu überspielen war zu einer Spezialität des Moderators geworden. Quint lächelte Fred erleichtert zu.
»Hier hält uns nichts mehr. Gehen wir nach Hause.«
Alain überhäufte seinen Gast mit Entschuldigungen und versprach ihm einen Ersatztermin. Fred war enttäuscht. Sein Auftritt auf der Bühne war geplatzt. Wortlos ging er Richtung Ausgang. Tom schlug ihm vor, noch ein Glas in der Stadt zu trinken.
»Bleiben Sie doch zumindest für den Film«, sagte Alain. »Es ist auch ein amerikanischer Film, in Originalfassung mit Untertiteln. Dann sind Sie nicht umsonst gekommen.«
Fred stapfte Quintiliani hinterher. Er wollte seinen Ärger mit ein oder zwei Gläsern Bourbon hinunterspülen, Tom wieder einmal mit seinen Erinnerungen an die guten alten Zeiten in den Ohren liegen und dann mit ihm wie zwei gute Nachbarn, die sie ja auch irgendwie waren, in die Rue des Favorites zurückkehren.
»Bleiben Sie doch.« Lemercier gab nicht auf. »Ich bin mir sicher, dass Ihnen der Film gefällt. Goodfellas von Martin Scorsese. Ein Film über die Mafia in New York. Humorvoll und gleichzeitig sehr aufschlussreich.«
Fred erstarrte, mit einem Arm bereits in der Jacke. Sein Gesicht wurde ausdruckslos.
Als FBI -Agent hatte Quintiliani gelernt, seine Überraschung zu verbergen und cool zu bleiben, wenn etwas Unvorhergesehenes geschah. Er war ein Typ, der mit dem Bauch atmen konnte, wenn er den Lauf einer 45er Magnum in seinem Nacken spürte. Aber jetzt überkam ihn ein Hitzeschwall, und gleichzeitig rumorte es in seinem Magen. Schweiß trat auf seine Stirn.
Freds boshaftes Lächeln verriet
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