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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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eigentlich seinen Job erledigte. Indem sie ihre Nachbarn genau beobachtete, wachte sie über seine Geschöpfe. Manchmal wies sie ihnen auch den rechten Weg.
    »Bei Monsieur Vuillemin brennt noch immer Licht«, sagte sie erstaunt. »In drei Stunden muss er eigentlich aufstehen.«
    Vuillemin war der Bäcker aus der Bahnhofstraße. Er hatte die Hälfte seiner Kundschaft an einen jungen Kollegen verloren. Wie alle hatte auch Maggie ein Baguette bei dem Neuen gekauft, dem Alten aber hatte sie ihr Urteil nicht vorenthalten: »Sein Brot ist viel besser.« Wie konnte das sein? Nie hatte es irgendeine Reklamation gegeben. Und das in mehr als zwanzig Jahren. Sein Brot hatte nicht weniger oder mehr Biss als andere, seine Kruste war nicht dunkler oder heller, es hielt auch nicht weniger lang als andere. Was also war das Problem? Um Klarheit zu bekommen, probierte er das Brot des Konkurrenten. Dann betrachtete er seine Knetmaschine und wurde sentimental. Wann nur war er vom Weg abgekommen? Aber dann beschloss er, sich ins Zeug zu legen und dem Grünschnabel zu zeigen, aus welchem Holz er geschnitzt war.
    Das war die menschliche Komödie, die täglich vor ihrer Tür aufgeführt wurde – und Maggie wollte keinen Akt verpassen.
    *
    »Bill Clunan hatte Italienisch gelernt, um Gangster zu werden. Stellt euch den Typen vor, Mutter und Vater Iren, verschlingt Italokrimis, um italienischen Slang zu lernen, isst jeden Tag bei Spagho, übt sich im Fluchen, obwohl er aus vollem Herzen Katholik ist; das war für ihn das Schlimmste, fluchen zu lernen wie ein Italiener, die Heilige Jungfrau als Nutte zu beschimpfen. Aber es half nichts! Er wollte in keine irische Gang, er wollte zu Fat Willy. Falls ihr mal nach Brooklyn kommt, Punkt sieben am Abend auf dem Mellow Boulevard, da trefft ihr ihn vielleicht. Langes graues Haar, nach hinten gekämmt, seine Ray-Ban-Sonnenbrille immer auf der Nase. Das ist die Zeit, wo er mit seinen Kumpels Scopa spielt. Die nennen ihn immer noch Paddy.«
    »Wer ist dieser Fat Willy, vom dem Sie gerade gesprochen haben?«, fragte eine weibliche Stimme.
    »Fat Willy. Was soll ich von Fat Willy erzählen?«
    Nichts! Gar nichts! , wünschte Tom im Stillen. Doch Fred war ganz in seinem Element.
    »Fat Willy war ein capo , ein Boss, ein bisschen wie Paulie in Goodfellas. Sein Platz in der Hierarchie war nicht so wichtig. Wichtig war, dass er Ungerechtigkeit nicht ausstehen konnte. Wenn du ihm von deinem Unglück erzählt hast, hat er manchmal sogar eine Träne vergossen. Aber er sah es auch als sein gutes Recht an, dich zu ersticken, wenn du deine Schulden bei ihm zu deinen Gunsten abgerundet hattest. Über alles konnte man mit ihm reden, außer über seine Pfunde. Niemand kannte sein genaues Gewicht. Fat Willy war ein 90-Kilo-Mann, un pezzo da novanta . So nannte man generell die Gangleader und Bosse. Wenn er mit seinen Bodyguards die Straße entlangstolzierte, hätte man meinen können, dass er sie beschützt statt umgekehrt – so beeindruckend waren seine Körpermassen. Niemand hätte es gewagt, eine Anspielung auf seine Leibesfülle zu machen. Weder seine Söhne noch seine Lieutenants, niemand. Wer es je gewagt hat, seinen Bauch zu tätscheln und zu sagen: ›Willy, man sieht, dir geht’s gut!‹, der hat schnell für immer geschwiegen.«
    Tom war so außer sich, dass er es nicht schaffte, aufzustehen und Fred das Wort abzuschneiden. Dass Fat Willy einer der ersten Kronzeugen gewesen war, um den sich das Zeugenschutzprogramm gekümmert hatte, hatte Fred bisher verschwiegen. Das FBI hatte ihm eine drakonische Diät verordnet, damit niemand ihn wiedererkannte. Dutzende von Kilos hatte er abgespeckt. Als Guglielmo Quatrini, wie Fat Willy in Wirklichkeit hieß, dann zum ersten Mal wieder außer Haus durfte, stürmte er einen Donut-Laden und stopfte so viele von diesen Dingern in sich hinein, wie er zuvor an Gewicht verloren hatte.
    »Mit seinen auseinanderstehenden Zähnen«, fuhr Fred fort, »schien er immer zu lächeln. Er war stets nett und guter Laune, hatte für alle Damen ein charmantes Wort parat und für die Babys ein Küsschen auf die Wange. Er war ein zufriedener Mensch. Nur einmal hatte er sein Lächeln verloren: an dem Tag, an dem einer seiner Söhne gekidnappt worden war. Die Entführer forderten eine Riesensumme Lösegeld, aber Willy blieb standhaft bis zum Gehtnichtmehr, selbst als man ihm eine Fingerkuppe des Jungen in einer Dose für Zahnseide zuschickte. Er hat nicht nur seinen Sohn zurückbekommen, er

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