Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)
Costello, ein Bugsy Siegel – der Typ, der Las Vegas gegründet hat –, ein Louis ›Lepke‹ Buchalter oder ein Vito Genovese über den Weg laufen. Genovese war übrigens das Vorbild für Vito Corleone im Paten . Ich nenne jetzt nur die großen Namen, aber ich könnte euch auch die Namen der Kleinen und Handlanger nennen, denn die haben genauso ihren Anteil an den großen Stunden der Cosa Nostra. In Brooklyn liefen sie massenhaft herum. Keiner hatte Papiere, mit denen er sich ausweisen konnte. Gut, einige waren vielleicht mit fünfzehn ins Strafregister eingetragen worden. Ihnen allen konnte man auf der Straße begegnen. Einfach so. Ein Typ zum Beispiel wie Dominick Rocco, den alle ›The Rock‹ nannten. Der konnte in ein Kino wie dieses hier einfach so hineinmarschieren und einem Zuschauer mit einem Eispickel das Gesicht zertrümmern, ohne dass es jemand mitgekriegt hätte.«
In der dritten Reihe sahen sich Monsieur und Madame Ferrier, Filmklubmitglieder seit Urzeiten, ungläubig an.
»Findest du nicht, dass er etwas übertreibt?«
»Er ist Schriftsteller, mein Schatz. Je unglaubwürdiger eine Geschichte ist, desto lieber tischt er sie uns auf.«
Seit Fred mit seinem Vortrag begonnen hatte, hatte sich die Zuschauerzahl verdreifacht. Die Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer ausgebreitet, aus den Cafés und Restaurants strömten die Neugierigen herbei. Manch eine der Anekdoten wollte er eigentlich für seine Memoiren aufheben, aber er hatte das Publikum so in seinen Bann gezogen, dass an Aufhören nicht zu denken war. Tom sah sich schon die FBI -Zentrale in Quantico kontaktieren. Wie um Himmels willen sollte er seinen Vorgesetzten erklären, dass es Fred offenbar nicht genügte, aus seiner Mafia-Vergangenheit ein Buch zu machen, nein, er musste auch noch eine One-Man-Show abziehen, mit der er problemlos das Caesars Palace in Las Vegas füllen konnte?
*
Di Cicco hatte sich im Zimmer nebenan hingelegt, Caputo sah ohne Ton fern; dass Maggie noch da war, hatte er vergessen. Das Observieren und Abhören ihrer Nachbarn hatte sie auf eine verrückte Idee gebracht. Zudem tat der Grappa sein Übriges, und fertig war eine Utopie, bei der sich ihr Viertel nicht mehr dem Diktat der Gleichgültigkeit unterwarf. Ihr Herz und ihre Wangen glühten, während sie sich einen kleinen Ort auf der großen Erde erträumte, wo ein hehres Gemeinschaftsdenken die menschlichen Beziehungen bestimmte. Es waren nur zwei oder drei Straßenzüge, aber jeder, der dort lebte, stellte seine eigenen Interessen zugunsten denen seiner Nachbarn zurück. In ihrem kleinen Paradies musste niemand seinen Nächsten fürchten. Man konnte ihm sogar eine Schwäche eingestehen oder seine Fehler offenbaren, niemand versank in Eigensinn. Alles war zu reparieren, man bekam alles wieder in den Griff. Davon waren alle überzeugt. Man ging auf den anderen zu, vor dem man sich zuvor, ohne ihn zu kennen, ein wenig gefürchtet hatte. Man stand einem Menschen in Not bei, obwohl man vielleicht lieber weggeschaut hätte. Wenn etwas schiefgelaufen war, musste man es nicht verheimlichen. Man beschenkte die, die nie beschenkt worden waren, und griff in Konflikte ein, um sie für immer aus der Welt zu schaffen. Man zahlte dem die Schulden zurück, der sie nie eingefordert hatte. Man förderte künstlerische Talente und verbreitete gute Nachrichten. Schlechte Gewohnheiten, die die anderen wahnsinnig machten, gab man auf. Wissen gab man weiter, bevor es für immer verschwand. Den Alten schenkte man Zuversicht. Im Stillen brachte man Opfer, damit niemand es bemerkte. Man führte kontaktarme Menschen wieder ins Leben zurück, indem man sie von allen unnützen technischen Spielereien erlöste. Auch von denen, die noch nicht erfunden waren.
Maggie, in einer lyrischen Hochstimmung, sah, wie ihre kleine Welt sich zu drehen begann. Sie musste nur dafür sorgen, dass ihr Großmut auf die anderen Menschen übersprang. Ihre Bemühungen würde sie vorerst auf ein einziges Viertel konzentrieren und hoffen, dass von da der Funke auf die Nachbarviertel, dann auf die ganze Stadt, auf das ganze Land und schließlich die ganze Welt übersprang. Mit einer Träne im Auge prostete sie Di Cicco ein letztes Mal zu. Sie hatte keine Eile, in die Realität zurückzukehren.
*
»Tony war berühmt für seine brutalen Verhöre, mit denen er Verrätern auf den Leib rückte. Nicht ohne Grund nannte man ihn den ›Zahnarzt‹. Zuletzt war er Carmine Calabreses Lieutenant. Für Gangster eine Art
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