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Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition)

Titel: Malavita: Eine Mafia-Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tonino Benacquista
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Überlebenswille hatte die geschändete Kreatur gerettet. Plötzlich hörte sie auf zu jammern, denn sie erkannte mit Schrecken in den Männern, die regungslos vor ihr standen, ihre Henker. Flehentlich sah sie sie an.
    Es waren also nicht alle Lebewesen mausetot, wie Sanfelice selbstsicher behauptet hatte. Vielleicht hatte auch Manzoni, dieses unzerstörbare Stück Aas, das sie seit Jahren verhöhnte, die Katastrophe überlebt. Wutentbrannt griff Matt nach einer Eisenstange, um seinen Zorn an Manzonis Hund auszulassen, und schlug mit einer derartigen Wucht auf ihn ein, dass seine Männer dazwischengehen mussten. Malavita, für die ein derartiges barbarisches Verhalten neu war, bedauerte, das Erdbeben überlebt zu haben.
    Drüben am Fenster wandte sich Quint angewidert ab und ging zu seinem metallenen Schrankkoffer.
    »Bedien dich, Manzoni«, sagte er und bestückte die Trommel seines Revolvers.
    Doch Fred, der vor dem Fenster kniete, hatte nicht mehr die Kraft dazu. Er ließ sich zu Boden fallen und schluchzte laut.
    Was Fred erst jetzt erkannte, war Maggie schon zuvor klar geworden: Seine Welt und die seiner Kinder war eingestürzt.
    Und Tom fühlte sich verantwortlich für diese Tragödie. Schließlich hatte er den Blakes Hausarrest erteilt. Er, der nie um ein Wort verlegen war, blieb stumm angesichts dieses Mannes, der seine Kinder unter Schutt und Asche beerdigt glauben musste.
    Fred trauerte tatsächlich, und zwar um die zahllosen Seiten seiner Memoiren, die er für immer verloren hatte.
    *
    Mit seinen Habseligkeiten in den Jacken- und Hosentaschen stand Warren allein auf dem Bahnsteig und wartete auf den Schnellzug nach Paris. Das Schwierigste hatte er hinter sich. Den Zug, auf den er jetzt aufsprang, würde er erst wieder verlassen, wenn er den ihm zustehenden Platz in der Hierarchie eingenommen hatte.
    Um die amerikanische Mafia neu zu formieren, würde er als Erstes ein Komitee nach dem Vorbild von Lucky Luciano gründen, das organisiert wäre wie die UNO . Dieses Komitee achtete auf die Einhaltung der Territorialgrenzen. Wer sie missachtete, fiel in die Hände unabhängiger Soldaten, vergleichbar den Blauhelmen der UNO , die ihre Order ausschließlich vom Komitee erhielten. Dann würde er für jede Familie ein neues Familienrecht einführen, bei dem die Frauen eine viel größere Rolle spielten. Je enger die neuen Familienbande, desto weniger Verräter gäbe es – denn seine Mutter oder Schwester lieferte man nicht so leicht an die Bullen aus. Die neue Frauenfreundlichkeit der Organisation brächte sogar noch mehr Vorteile, auf jeden Fall würde sie den Gemeinschaftssinn stärken. Das alte verknöcherte, rückwärtsgewandte mediterrane Modell war an seine Grenzen gestoßen. Echte Gleichheit bedeutete, den Frauen die Macht zu geben, die sie verdienten, und das Mittelalter ein für alle Mal hinter sich zu lassen. Im nächsten Schritt, zweifellos dem schwierigsten, ginge es darum, eine »ökumenische« Mafia aufzubauen. (Warren liebte dieses Adjektiv.) Vielleicht würde hier gelingen, was andernorts gescheitert war: Alle Rassen, alle Religionen unterschiedslos zu akzeptieren und gemäß einer strengen Quotenregelung zu integrieren. Der Krieg gegen die Chinesen oder gegen die Puerto Ricaner hatte unnötig große Löcher in die Reihen der Cosa Nostra gerissen. Das durfte nie wieder vorkommen. Trotz dieser Veränderungen bliebe die Basis der Organisation aber gleich: ein Chef für drei Lieutenants, und jeder Lieutenant hatte ungefähr zehn Leute unter sich. Die Zahl der Chefs variierte von Region zu Region. Die Chefs zusammen bildeten eine Familie, jeder Familie stand ein Pate vor, und über allen Paten stand wiederum der capo di tutti i capi . Eine Aufgabe, die Warren gerne selbst übernehmen würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit.
    Ungefähr hundert Meter entfernt entdeckte Warren auf den Gleisen für den Güterverkehr zwischen zwei Getreidewaggons zwei Gestalten. Der stehende Zug selbst schien endlos zu sein. Die beiden Männer, um die vierzig, waren sportlich gekleidet; sie hatten sich offenbar verirrt, waren aber entschlossen, so schnell wie möglich wieder den richtigen Weg zu finden, sie marschierten mit großen Schritten vorwärts. Einiges an ihrer Erscheinung kam ihm bekannt vor: Den Kopf hatten sie leicht eingezogen, überhaupt war ihre Haltung nicht gerade, und trotzdem bewegten sie sich flink und besaßen eine außergewöhnliche Präsenz. Als er ihre Gesichtszüge erkennen konnte, begann Warrens

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