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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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dem Tode Geweihten zum Handeln emporreißen. Er sollte einem Leben, dem er schon entrückt war, noch einmal seinen Zoll entrichten. Sie schämte sich, daß siees wollte, und beharrte dennoch. Nichts kannte sie von der Natur der grauen Körner, die sie ihrem Lehrer verdankte, nur daß dieser bittere Kies aus Indien gekommen sei, hatte er ihr gesagt. Und doch war das unerprobte Mittel ihre einzige Zuflucht. Daß es jetzt ihrer Absicht dienen könne, dessen glaubte sie sicher zu sein; aber sie wußte nichts darüber, ob es Ertoghrul schaden würde. Daran mußte sie denken wie eine Mörderin kam sie sich vor. Man müßte in die Menschen hineinsehen können, dachte sie, aufschneiden müßte man sie können um sich dann sofort zu überlegen, wann und wo sie das schon einmal gedacht oder gesagt habe. - Ja, richtig, erinnerte sie sich nun, das sei damals am Pursuk bei der Entbindung der
    Bäuerin gewesen und Salmenikos habe sich über ihren Ausspruch entsetzt.
    Salmenikos . . .
    Könne eine kurze Zeit so lang sein, dachte sie, eine kurze Zeit sie so weit von etwas entfernt haben, das ihr einst als Inhalt und Ziel ihres Lebens erschienen sei? Kaum noch vorstellen konnte sie sich selbst als Archontin von Biledschik. Aber darin irrte sie sich. Sie hätte sehr wohl die Gebietsherrin von Biledschik und Eskischehr werden können und wäre es vermutlich ebenso mit ihrer ganzen    Persönlichkeit gewesen,    wie    sie,    die
    Araberin edelsten Blutes,    jetzt Türkin war. Und    das    war    sie,
    ohne das geringste von sich, von ihrer Vergangenheit und der Vergangenheit ihres Geschlechtes aufzugeben. Wie befreit fühlte sie sich durch die    Kräfte des Neuen, des Werdenden,
    denen siesich aufschließen durfte, statt sich, wie    das    ihr    Los
    bei Salmenikos gewesen wäre, denen des Beharrens verpflichten zu müssen. Sieg oder Niederlage - sie kämpfte für Osman, dessen Geschick ihr mehr zu sein schien als das eines Mannes, den sie liebte. Sie war keineswegs siegesgewiß, aber fest entschlossen.
    Und nun verzog sich Ertoghruls Antlitz. Darin und durch ein Stöhnen kündigte der wiederkehrende Schmerz sich an.
    Sie stützte des Leidenden Kopf und hob den Becher an seine Lippen. Es war seine Kehle, die schluckte - nur die - schlafbenommen, wie er noch war. Dann sank er zurück. Geduldig wartete Malchatun die Wirkung des Mittels ab. Erst nach einer Weile öffnete er die Lider.
    »Wer bist du?« fragte er.
    »Ich bin die Frau deines Sohnes Osman.«
    »Malchatun . . .«
    »Du wolltest mich nicht sehen, Scheich?«
    »Ich wollte nicht, daß du mich sähest, so, wie ich war.«
    »Ist dir jetzt besser?«
    »Sehr viel besser«, sagte er und richtete sich auf. »Hast du dies Wunder vollbracht, mein Kind?« »Es gibt keine Wunder vor Allah, mein Vater. Aber ich kann bewirken, daß du dich kräftig genug fühlst, um zu tun, was dir obliegt als Scheich unseres Stammes.«
    »Du sprichst von Osman ?«
    »Ich spreche von den Ertoghrulern.«
    »So nannten sie sich«, seufzte er, »aber jetzt beginnen sie mehr auf Dündar zu hören.«
    »Sie werden auf dich hören, wenn sie dich sehen.«
    »Wo ist Osman jetzt?«
    »Wo er hingehört: vor Karadschahissar.«
    »Immer noch vor der Stadt und nicht in ihr? Wie steht es um Osman?«
    »Es steht schlecht«, sagte Malchatun hart und verhehlte nichts von Osmans mißlicher Lage. »Nur du kannst ihm helfen«, schloß sie.
    »Er ist ein Knabe«, sagte Ertoghrul, »und Dündar ist ein Greis. Beide sind gleich wenig geschickt, den Stamm in dieser Zeit zu führen, und zwischen beiden soll ich nun wählen? -Der Stamm muß entscheiden. Er ist es, der leben soll - nicht ich.«
    »Dein Sohn ist kein Knabe mehr, Vater«, gab ihm Malchatun zur Antwort, »und er liegt vor Karadschahissar, vor derselben Stadt, die einst dir und dem Stamm gehörte.«
    »Karadschahissar . . .« Es war, als spreche Ertoghrul den Namen einer Geliebten. Dann wandte er sich an Malchatun.
    »Und was sagt Edebali«, fragte er, »über einen ungehorsamen Sohn?«
    »Er gab ihm seinen Segen. - O mein Vater!« rief sie und sank an seinem Lager nieder. »Erinnere dich doch jener Nacht, die du, wie man erzählt, in Edebalis Stube betend verbrachtest, und an dein Gesicht, das du in der Zeit der Wahrträume gegen Morgen hattest. Damals weissagte Edebali dir einen Sohn, der hochgeehrt sein würde zu allen Zeiten, und du bekamst den Sohn und nanntest ihn Osman.«
    Ertoghruls Gesicht erstarrte, und keine Antwort

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