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Malchatun

Titel: Malchatun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Tralow
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Koran bei Osman nicht auf. Jedes flüchtige Wohlgefallen an der anmutigen Jugend, mit der Malchatun sich zu umgeben liebte, war vielmehr schließlich immer wieder starkströmig zur Herrin zurückgekehrt. Kein Ergötzen bei einer anderen hätte der Herr des Harems mit einem Stirnrunzeln seiner Frau bezahlen mögen und freilich ebensowenig mit einer Trübung der guten Beziehungen zu den wichtigeren Personen seines Machtbereichs. Malchatun pflegte nämlich ihre Mädchen noch als Kinder einem der Alpe, einem Stammeshäuptling oder einem Verwandten zu versprechen, so daß stets ein Wall fremder Rechte die Flüggen umgab.
    Nicht unweise war dies Verfahren. Denn so war Malchatun von den jungen Frauen, ihren Zöglingen, stets zuverlässig
    über deren Männer unterrichtet. Schon darum hatten sich in Osman unstatthafte Wünsche, die er hätte überwinden müssen, gar nicht erst geregt, und nichts bewies so sehr die Sicherheit seiner Gefühle, als daß er über sein Verhältnis zu Malchatun ebensowenig nachdachte wie über sein Verhältnis zu Gott.
    Aber selbst als Ehemann seiner ihm von Allah verliehenen so hohen Gemahlin konnte er gelegentlich den Wunsch haben, einmal völlig allein zu sein oder vielmehr - des anscheinend Unverlierbaren sicher - alles Gewohnte zu einem Ausflug ins Unbekannte für eine Weile gänzlich abzustreifen und zu vergessen. Auch Schwanenjungfrauen und ähnliche Zauberwesen entäußern sich zu gewissen Zeiten gern ihrer höheren Existenz, was dann nicht immer ohne irdische Verwicklungen abgeht. Und wenn die Dichter in unausrottbarer Parteilichkeit auch stets den Damen die überirdische Herkunft zuschreiben, so sind im Fluchtverlangen und in der Lebensneugier die Männer und Weiber so unähnlich nicht. Sehr viele Männer und das sind mehr, als man denken sollte - sind, ohne es selbst zu wissen, aus diesen Gründen sogar einem kleinen Krieg keineswegs immer abgeneigt.
    Auch Osman war sich der Vielgestalt seiner Wünsche genausowenig bewußt. Etwas Großes, Buntes, Freies, Heiteres war es, wohin es ihn drängte: ein Wiegen der Gräser im Wind, ein Kräuseln der Wellen, Himmelsblau und weiße Wolken, Regen, Unterkunft und eine Hammelkeule über dem Feuer, eine Blumenwiese am Hang, Rinder und Pferde und ein Schwatz mit Hirten - vielleicht auch, wenn es sich ohne sein Zutun ergäbe - mit einem Mädchen . . .
    So ganz unberechtigt war Edebalis Begründung der Ablehnung von Osmans erster Werbung um Malchatun nicht gewesen, und sie selbst glaubte wohl, daß ihr Osman der beste Mann in Bithynien, aber durchaus nicht, daß er anders als alle anderen Männer sei. Dennoch hatte sie keinen Einwand gegen sein Erbieten erhoben, die Freunde aus Jarhissar, Apollonia und die junge Nilufer, persönlich zu Besuch nach Karadschahissar einzuholen. Malchatun wollte den Frieden mit den christlichen Herren, und der beste Beweis von Osmans günstiger Gesinnung sei - so war ihre Meinung gewesen — diese sichtliche Ehrung der christlichen Asanes.
    Osman hatte das gleiche behauptet. Aber allein durchs Gebirge zu schweifen wäre gefährlich und unziemlich gewesen. Immerhin hatte seine Ferienstimmung sich dadurch zu erkennen gegeben, daß seiner Alpe scharfe Augen und Mundwerk ihm nicht genehm gewesen waren. Nur der Knabe Chalil hatte Gnade vor seinem Auge gefunden, und zur weiteren Begleitung war ein Beritt von Sipahis, von schwerbewaffneten Söldnern, befohlen worden. Die Not der Zeit zwang Osman, solche Männer zu besolden, und die Gunst der Umstände erlaubte es ihm.
    Lässig wiegte er sich im Sattel. Mit einem Lächeln beschwor er die heiteren Stunden der vergangenen Tage. Doch nun zog er plötzlich die Zügel an, und im Nu war er wach und gestrafft. Er hatte den Lärm vernommen, den seine Vorhut mit ihrem Sturm auf Pferde und Rinder, Frauen und Männer entfacht hatte.
    »Hört ihr!« rief er und setzte seinem Falben die Sporen in die Flanke. »Sürün! Vorwärts!«
    Auf dem nächsten Hang parierte er das Pferd; denn nun sah
    er.
    >Byzantiner!< dachte er grimmig. Genau dasselbe, was Chalil gerufen hatte. Die Grenze lag eben zu nahe. Er war um so zorniger, als es gerade in letzter Zeit um die Grenze wieder unruhig geworden war, und er empfand es bitter, daß er wohl der Bey, aber trotz seines Titels keineswegs dieses Landes Fürst sei.
    Sultan Alaeddin saß nach dem Tode seines Onkels Mesud wohl als Selbstherrscher auf dem Thron von Ikonium, doch erwartete er, daß Osman die Beywürde rechtfertige und die Westgrenze ohne jeden

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