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Malevil

Malevil

Titel: Malevil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Fütterung.
    Ich bin kaum wieder zurück, als meine Schwestern mit dem Wagen aus der Kreisstadt eintreffen. Ihr rasches Erscheinen überrascht
     mich, noch mehr aber ihre Aufmachung. Als hätten sie das Hinscheiden ihrer Verwandten seit langem vorausgesehen, sind sie
     von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleidet. Sie haben auch kaum die Schwelle der Sept Fayards überschritten und haben noch nicht
     einmal Kopfbedeckungen und Schleier abgenommen, da sprudeln schon Tränen und Worte. Und wie Wespen in einem Einmachglas fangen
     sie zu surren an.
    Sie haben eine Angewohnheit, die mich rasend macht. Die eine ist jeweils das Echo der anderen. Was die Paulette sagt, wiederholt
     die Pélagie, oder umgekehrt: Stellt die Pélagie eine Frage, stellt die Paulette sie gleich noch einmal. Zum Erbrechen. Man
     hat jedesmal gleich zwei Versionen der gleichen Albernheit.
    |28| Im übrigen sind sie einander ähnlich: wabbelig, blondlich und gelockt; beiden haftet eine falsche Sanftheit an. Ich sage:
falsche
Sanftheit, weil sich hinter diesen Schafsprofilen ein schroffes Wesen verbirgt.
    »Und weshalb«, blökt die Paulette, »sind der Vater und die Mutter nicht in der Grange Forte in ihrem Bett?«
    »Statt daß sie«, sagt die Pélagie, »hier beim Onkel sind, als hätten sie kein Zuhause.«
    »Der arme Vater«, fährt die Paulette fort. »Wenn er noch lebte, wie unangenehm wäre es ihm, nicht bei sich zu Hause gestorben
     zu sein.«
    »Auf jeden Fall«, sage ich, »ist er nicht bei sich zu Hause gestorben, sondern im 4 L. Und für die Totenwache konnte ich mich
     nicht zweiteilen, eine Hälfte in der Grange Forte, die andere in den Sept Fayards.«
    »Trotzdem«, sagt die Paulette.
    »Trotzdem«, sagt die Pélagie. »Der arme Vater wäre nicht zufrieden, daß er sich hier befindet. Die Mutter auch nicht.«
    »Du weißt ja«, sagt die Paulette, »welche Gefühle sie für den armen Onkel hegte.«
    Wie zartfühlend! Und dieses »arm« erbittert mich, denn sie waren ihrem Onkel schließlich ebensowenig zugetan.
    »Wenn man denkt«, fährt die Pélagie fort, »daß jetzt die ganze Zeit über kein Mensch in der Grange Forte ist, um das Vieh
     zu versorgen.«
    »Wo doch des Vaters Kühe«, sagt die Paulette, »immer noch den Vorrang vor den Pferden haben.«
    Sie sagt nicht »vor den Pferden des Onkels«, denn der Onkel liegt hier, entsetzlich verstümmelt, vor ihren Augen.
    »Peyssou«, sage ich, »versorgt sie.«
    Sie tauschen Blicke aus.
    »Peyssou!« sagt die Paulette.
    »Peyssou!« fährt die Pélagie fort. »Na ja, wahrhaftig, Peyssou!«
    Ich unterbreche sie barsch.
    »Na was denn, Peyssou! Was habt ihr gegen Peyssou?« Und arglistig füge ich hinzu: »Auf Peyssou seid ihr ja nicht immer so
     schlecht zu sprechen gewesen.«
    Sie gehen nicht darauf ein. Zu sehr sind sie damit beschäftigt, einem Schwall von Schluchzern seinen Lauf zu lassen. Als |29| er vorüber ist, gibt es eine dramatische Vorstellung mit Augenbetupfen und Naseputzen. Dann geht die Pélagie wieder zum Angriff
     über.
    »Während wir hier sind«, sagt sie und wechselt einen bedeutungsvollen Blick mit ihrer Schwester, »macht Peyssou in der Grange
     Forte, was er will.«
    »Du kannst dir ja denken«, sagt die Paulette, »daß er sich überhaupt nicht genieren wird, in den Schubladen zu wühlen.«
    Ich zucke die Achseln. Ich schweige. Das Schluchzen, Schneuzen und Jammern fängt von neuem an. Es dauert eine ganze Weile,
     bis das Duo wieder einsetzt. Aber es setzt wieder ein.
    »Ich mache mir Sorgen um die armen Tiere«, sagt die Pélagie. »Am liebsten würde ich selber hingehen und nach dem Rechten sehen.«
    »Du glaubst doch nicht«, sagt die Paulette, »daß sich Peyssou um was gekümmert hat.«
    »Ach ja, wahrhaftig, Peyssou!« sagt die Pélagie.
    Würde man meinen Schwestern in diesem Moment das Herz aufblättern, fände man, in voller Größe eingeprägt, den Schlüssel zur
     Grange Forte darin. Sie ahnen beide, daß ich ihn habe. Doch unter welchem Vorwand ihn mir abfordern? Gewiß nicht, um das Vieh
     zu versorgen.
    Ganz plötzlich habe ich ihr abwechselndes Geseufze satt. Ich falle ihnen ins Wort.
    »Ihr kennt den Vater«, sage ich, ohne die Stimme zu erheben. »Er wäre nie zu einem Fußballspiel gefahren, ohne alles abzuschließen.
     Als man seinen Leichnam brachte, habe ich den Schlüssel bei ihm gefunden.«
    Einzeln meine Worte hervorhebend, fahre ich fort: »Ich habe ihn an mich genommen. Und seit die Eltern in diesem Hause sind,
     habe ich mich nicht von

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