Malevil
schmatzen!
Wo denkst du, daß du bist! Hast du denn keine Serviette, daß du dich mit der Hand abwischst! Und es fällt mir auf, daß alle
diese barschen Ratschläge von Jacquets Namen begleitet sind, als wollte die Menou uns beweisen, daß sie nicht spinne und daß
es sich um keine Verwechslung handele, auch wenn Jacquet ganz wider seinen Willen zu der Rolle erhoben worden ist, in der
wir ihn sehen. Übrigens ein zusätzlicher Beweis dafür, daß die Menou klar von Geist geblieben ist: das Patois, das Jacquet
als Fremder nicht versteht, bleibt in den Verweisen, die sie ihm erteilt, aus dem Spiel.
Achtundvierzig Stunden nach Fertigstellung der VVZ, als die Schießübungen (einschließlich des Bogenschießens) für alle wieder
begonnen hatten, tauchte der alte Pougès auf seinem altertümlichen Fahrrad auf. Er schätzte es keineswegs, daß er auf allen
vieren durch die Palisade kriechen mußte. Noch weniger, daß wir ihm die Augen verbanden, während wir |392| ihn die Fallenzone passieren ließen. Kaum saß er in der Küche des Torbaus, gab er uns schon zu verstehen, daß das eine Entschädigung
erfordere. Ich sage »uns«, denn das Gerücht von seiner Ankunft hatte sich verbreitet, und ganz Malevil war versammelt, um
ihm zuzuhören.
»Na weißt du, Emmanuel, es fällt nicht leicht, bis zu dir zu gelangen«, sagt er, an seinem weißlichgelben Schnurrbart drehend.
Von der Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wird, höchst geschmeichelt, blickt er um sich. »Weil es jetzt, wo der Fulbert die beiden
Tore bewachen läßt, allein schon eine schwierige Sache ist, aus La Roque herauszukommen! Es ist vorbei damit, sich auf der
Straße nach Malevil herumzutreiben. Es gibt ein Dekret, das derlei untersagt. Mit knapper Not noch, daß ich das Recht habe,
auf die Bezirksstraße hinauszufahren. Zum Glück konnte ich mich auf einen Pfad besinnen, der auf deine Straße führt. Über
Faujoux, wenn du dich erinnerst.«
»Du bist über Faujoux gekommen?« sage ich verwundert. »Auf deinem Fahrrad?«
»Auch wenn es da Stellen gibt, wo ich es habe tragen müssen«, sagt Pougès. »Wie ein Meister im Geländefahren! In meinem Alter!
Ich hoffe«, fügt er nach einer dramatischen Pause hinzu und läßt den Blick über die Zuhörer wandern, »in Anbetracht der Mühe,
der ich mich unterzogen habe, Emmanuel, wirst du dich heute nicht so sehr beeilen, die Flasche zuzukorken.«
»Bedien dich«, sage ich und schiebe ihm die Flasche hin. »Du hast es wohl verdient.«
»O ja, das stimmt«, sagt der alte Pougès. »Es ist schon eine Sache, mit dem Rad über Faujoux zu fahren. Und dabei alle die
Neuigkeiten, die ich dir mitzuteilen habe, und wo mir der Kopf davon voll ist. Und die Beine das Treten satt haben.«
»Du hast doch Übung darin«, sagt die Menou, »wo du so oft den Weg von La Roque nach Malejac gemacht hast, um dich bei deiner
Schlampe zu verlustieren.«
»Auf dein Wohl, Emmanuel«, sagt der alte Pougès mit Würde, aber innerlich wütend, daß ihm die Menou die Stunde seines Ruhms
vergällt.
»Menou«, sage ich streng, »gib ihm einen Happen zu essen.
»Da sage ich nicht nein«, meint der alte Pougès. »Besonders, weil es mich ganz ausgepumpt hat, über Faujoux zu fahren.«
|393| Die Menou öffnet den Wandschrank rechts vom Kamin, knallt Pougès einen Teller vor, schneidet dann ein winziges Scheibchen
Schinken ab und schleudert es von weitem auf den Teller.
Ich werfe ihr einen strengen Blick zu, doch den übersieht sie. Sie ist damit beschäftigt, für Pougès eine Scheibe Brot abzuschneiden,
so dünn wie möglich, was nicht einfach ist bei dem frischen Brot. Während dieser anspruchsvollen Operation spricht sie halblaut
zu sich selbst. Da aber der alte Pougès schweigt, weil er sein erstes Glas trinkt, und da in Erwartung seiner Nachrichten
auch wir schweigen, sind die Worte der Menou deutlich zu hören, und ich suche vergeblich, sie zu unterbrechen.
»Es gibt Leute«, sagt die Menou, ohne mich anzusehen, »da möchte man meinen, die sind dir schlimmer als Läuse drauf aus, den
andern das Blut auszusaugen. Nimm dir die Adelaide. Die hat nicht viel getaugt, einverstanden, war allen zugänglich, woher
sie auch kamen. Trotzdem, ich kenne da welche, die haben sie, rechnet man eins zum andern, ganz schön ausgenutzt. Erst mal,
um es bei ihr umsonst zu haben, und dann, wenn sie’s nicht mehr konnten, um ihr Getränke abzuzapfen, und die arme große Schlampe
ist da gewiß nicht reich
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