Malloreon 5 - Seherin von Kell
ungefähr die richtige Höhe«, erklärte Garion. »Ich mache die beiden ersten Durchgänge. Paß genau auf. Dann kannst du es versuchen.«
Garion war sehr geschickt mit der Lanze geworden, er traf den Schild beide Male genau in der Mitte.
»Warum stehst du in der letzten Sekunde immer auf?« fragte ihn Zakath.
»Ich stehe nicht wirklich auf, sondern beuge mich nach vorn. Es geht darum, daß man die Füße gegen die Steigbügeln stemmt, sich nach vorn lehnt und den Körper steif hält. Auf diese Weise fügt man seinem eigenen das Gewicht des Pferdes hinzu.« »Schlau. Laß es mich jetzt probieren.«
Beim ersten Durchgang verfehlte Zakath den Schild völlig. »Was habe ich falsch gemacht?« fragte er.
»Als du dich in den Steigbügeln aufgerichtet und nach vorn gelehnt hast, senkte sich die Lanzenspitze. Du mußt es ausgleichen.« »Oh, ich verstehe. Also gut, ich versuche es noch einmal.« Beim zweiten Durchgang traf er den Schild so heftig, daß er sich ein paarmal um den Zweig drehte. »Besser?« erkundigte er sich. Garion schüttelte den Kopf. »Du hättest ihn umgebracht. Wenn du den oberen Schildrand auf diese Weise triffst, wird deine Lanze nach oben gelenkt und stößt gegen das Visier deines Gegners. Das bricht ihm den Hals.« »Ich versuche es noch einmal.«
Bis zum Mittag hatte Zakath beachtliche Fortschritte erzielt.
»Das genügt für heute«, sagte Garion. »Es wird hier ziemlich heiß.«
»Aber ich fühle mich noch recht frisch«, protestierte Zakath. »Ich habe an dein Pferd gedacht.« »Oh. Es schwitzt tatsächlich ein wenig.«
»Mehr als ein wenig. Außerdem bekomme ich allmählich Hunger.«
Der Tag des Turniers brach klar und sonnig an, und die Bürger von Dal Perivor drängten sich bunt gewandet zu dem Platz, wo die Festlichkeit stattfinden sollte. »Mir ist eben etwas eingefallen«, sagte Garion zu Zakath, als sie die Burg verließen. »Wir beide sind doch nicht ernsthaft daran interessiert, wer zum Sieger des Turniers erklärt wird, oder?« »Mir ist nicht ganz klar, was du meinst.«
»Wir haben etwas viel Wichtigeres zu tun, und mögliche gebrochene Knochen würden uns dabei äußerst hinderlich sein. Wir machen ein paar Durchgänge, heben einige Ritter aus dem Sattel und dann lassen wir uns aus dem Sattel werfen. Damit haben wir uns ehrenhaft eingesetzt, ohne uns ernsthaft der Gefahr schwererer Verletzungen auszusetzen.«
»Du schlägst vor, daß wir mit voller Absicht verlieren sollen?« fragte Zakath ungläubig. »So etwa, ja.«
»Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Wettkampf irgendeiner Art verloren!«
Garion seufzte. »Du hörst dich von Tag zu Tag mehr wie Mandorallen an.«
»Außerdem«, fuhr Zakath fort, »glaube ich, daß du etwas übersiehst. Wir sind angeblich mächtige Ritter mit einer hehren Aufgabe. Wenn wir nicht versuchen, unser Bestes zu geben, wird Naradas des Königs Ohr mit allerlei Anspielungen und Argwohn füllen. Siegen wir dagegen, können wir ihm die Zähne ziehen.«
»Siegen?« schnaubte Garion. »Du hast in der vergangenen Woche zwar recht schnell gelernt, aber wir haben als Gegner Ritter, die sich schon ihr ganzes Leben lang auf Turnierplätzen tummeln. Ich glaube nicht, daß wir wirklich siegen könnten.«
»Wie wäre es dann mit einem Kompromiß?« fragte Zakath listig. »Woran denkst du?«
»Wenn wir das Turnier gewinnen, gibt es doch kaum etwas, was der König uns abschlagen würde, oder?« »So ist es jedenfalls gewöhnlich.«
»Würde er dann Belgarath nicht mit Freuden einen Blick auf die Karte werfen lassen? Ich bin sicher, daß er weiß, wo sie ist – oder er kann Naradas zwingen, sie herauszugeben.« »Da magst du recht haben.« »Du bist ein Zauberer. Du kannst doch dafür sorgen, daß wir siegen, oder etwa nicht?« »Wäre das nicht Betrug?«
»Und dein Vorschlag, daß wir uns vom Pferd fallen lassen, wie würdest du das nennen? Ich sage dir was, mein Freund. Ich bin der Kaiser von Mallorea. Du hast meine kaiserliche Erlaubnis zu mogeln. Wie sieht es aus? Welche Möglichkeiten hast du?«
Garion überlegte, da fiel ihm etwas ein. »Ich habe dir doch davon erzählt, daß ich einmal einen Krieg anhalten mußte, damit ich Mandorallen und Nerina verheiraten konnte. Erinnerst du dich?« »Ja?«
»Die meisten Lanzen brechen früher oder später. Bis das Turnier zu Ende ist, werden die Splitter entlang der Schranken knöchelhoch liegen. An dem Tag, als ich den Krieg beendete, brach meine Lanze jedoch nicht. Ich hatte sie mit reiner
Weitere Kostenlose Bücher