Malory
dröhnender Stimme zuckte Amy zusammen. Und sie wünschte, sie hätte eine andere Antwort als die Wahrheit parat gehabt. Aber ihr fiel keine ein, genausowenig wie ihr eine geeignete Nachricht eingefallen war, die ihn veranlaßt hätte, diese gräßliche Taverne zu verlassen.
Sie hätte nicht herkommen dürfen, das sah sie jetzt ein. Das war ein wenig zu impulsiv gewesen, zudem gefährlich und unverantwortlich; warum war ihr das nicht klargeworden, bevor sie den Fuß über die Schwelle des Hell and Hound gesetzt hatte?
Verdammte Eifersucht, dachte sie. Hatte Warren nicht das Recht, mit so vielen Frauen zu schlafen, wie er wollte –
zumindest bis sie eine etwas festere Zusage von ihm hatte als sein »Bleib mir vom Leibe!«. Wenn sie erst einmal verheiratet wären, stände es ihr zu, etwas so Törichtes zu tun.
Aber sie war gekommen, und keine Sekunde zu früh. Sie hatte den verqualmten Raum nicht nach Warren absuchen müssen, sondern hatte ihn in demselben Augenblick, da sie zur Tür hereinkam, auf der Treppe neben der Theke entdeckt. Er stieg eben die Stufen hinauf, im Schlepptau eines drallen Barmädchens, das ihn ungeduldig an der Hand zerrte und mit einem vielversprechenden Blick zu ihm hinabschaute. Amy sah rot und stürzte hinter ihm die Treppe hinauf. Sie achtete nicht auf die erstaunten Rufe einiger Gäste, denen sie aufgefallen war, und rief deutlich Warrens Namen, als er eben das Zimmer des Barmädchens betreten wollte. Er fuhr herum, und im gleichen Moment wurde die Tür vor seiner Nase zugeschlagen. Das Mädchen mußte Amy gehört haben und nahm wohl an, ihr Kunde werde von seiner wütenden Ehefrau verfolgt.
Amy konnte dankbar sein für diesen Irrtum des Mädchens und die Tatsache, daß sie ihre Erklärung in diesem spärlich erleuchteten Flur abgeben konnte, statt unten in der Schänke voll betrunkener Zeugen. Und Warren wartete auf diese Erklä-
rung. Er hatte sich von dem ersten Schock, sie hier anzutreffen, erholt und war jetzt ungeduldig und zornig zugleich.
»Willst du nun antworten oder weiter nur dastehen und die Hände ringen?«
Antworten ja, aber was? Sollte sie rigoros vorgehen oder ihre alte Strategie weiterverfolgen? Doch nichts, was sie bislang versucht hatte, war erfolgreich gewesen. Rigoros also.
»Was du hier gesucht hast, kannst du auch von mir bekommen.«
So, jetzt hatte sie es gesagt und konnte es nicht mehr zurück-nehmen. Warren schien indes nicht im geringsten überrascht, war allerdings wohl auch nicht mehr besonders nüchtern. Und als er näherkam, ging sein zorniger Gesichtsausdruck langsam in ein Feixen über.
»Und du weißt, was ich hier suche? Ja, natürlich, verdorben, wie du bist.«
Er öffnete den lilafarbenen Umhang, den sie sich über die Schultern geworfen hatte, um ihre zarten Formen zu verbergen, und enthüllte das tiefrote Satinfutter und das sittsame blaue Kleid, beides nicht eben die Aufmachung einer Verfüh-rerin und doch verlockend wegen der Person, die darin steckte.
Die Kapuze fiel ein Stück zurück, so daß ihr Gesicht nicht länger im Schatten lag und ihre Augen gegen das rote Futter jetzt fast violett erschienen. Hätte sie sich etwas aufreizender gekleidet, so wäre er wohl kaum in der Lage gewesen, seine spöttische Attacke fortzusetzen.
»Du möchtest also an die Stelle der Dirne treten? Aber mich gleichzeitig fest am Bändel haben, stimmt’s – erst dieses ver-flixte Eheversprechen?« Er strich ihr langsam mit dem Hand-rücken über die Wange. Es lag etwas Bedauerndes in dieser Berührung. »Ich ziehe die Dirne vor, die nichts als eine Mün-ze oder zwei erwartet. Danke! Dein Preis ist mir verdammt zu hoch, Lady Amy.«
»Kein Bändel«, sagte sie atemlos flüsternd. »Jetzt, da ich mich offenbart habe ...«
»Hast du nicht.«
»Natürlich habe ich’s.« Sein promptes Leugnen überraschte sie ein wenig. »Ich habe gesagt, ich will ... Ich habe gesagt, ich will dich.«
»Was du willst ... Das sagt nichts darüber aus, was hier drin ist.« Seine Hand legte sich auf ihr Herz, das heißt, auf die zarte Wölbung ihrer Brust. »Soll das heißen, du liebst mich?«
»Ich weiß nicht.«
Das war nicht, was er von einem Mädchen zu hören erwartet hatte, das vorgab, ihn heiraten zu wollen. »Du weißt es nicht?«
»Wenn ich nur genug Zeit hätte, es herauszufinden«, erwiderte sie rasch. »Aber das habe ich nicht. Du bleibst nicht lange hier, Warren. Doch ich weiß, daß ich dich will. Daran besteht kein Zweifel. Und ich weiß, daß ich nie
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